Alanna - Das Lied der Loewin
nicht?«
Alanna hatte mit ihnen herumhängen dürfen. Jetzt wurde sie rot und schaute verlegen auf ihre Schnürsenkel.
Gary sah, wie sie errötete. »Alan – du warst doch der Letzte heute Nachmittag. Weißt du etwas über diese Sache?«
Alanna hielt nichts vom Lügen, aber in einer Notlage war eine Lüge manchmal besser als die Wahrheit. »Nein.«
Raoul grinste. »Ich rate ihm nicht, Alan zu schikanieren. Sonst mache ich diesen Kerl echt fertig.« Raoul mochte Alanna, und das zeigte er auch ganz offen.
Alanna verzog das Gesicht. »Ich dank dir, aber ich kann mich schon selbst wehren.«
»Raoul sucht nur eine Entschuldigung«, erklärte Jonathan. »Es macht ihm Spaß , Ralon zu verprügeln.«
»Also hat Ralon keinem anderen befohlen, er solle das
Zaumzeug für ihn wegräumen?«, wollte Alex wissen. »Du hast echt nichts Ungewöhnliches bemerkt?«
Alanna sah nicht auf. »Nein.« An dieser Sache war ja eigentlich auch nichts Ungewöhnliches, rechtfertigte sie ihre Lüge im Stillen. Ralon macht ja laufend so was.
Die Bediensteten kamen und schickten die Jungs zu Bett. Jonathan ging in sein Zimmer zurück und runzelte nachdenklich die Stirn. Zwischen Ralon und Alan bahnte sich ziemlicher Ärger an, aber er sah keine Möglichkeit, das zu verhindern.
Die Bestrafung hielt Ralon nicht davon ab, an den nachmittäglichen Ausritten teilzunehmen, und so war er am nächsten Tag mit dabei, als die Jungs zum Teich ritten. Es war heiß und schwül. Die meisten Jungs behielten nur ihr Lendentuch an und stürzten sich ins Wasser. Alanna saß unter einem schattigen Baum und schaute ihren Freunden sehnsüchtig zu. Sie hätte liebend gern mitgemacht. Ralon pflanzte sich vor ihr auf. »Du bist dir wohl zu gut für uns, Meister Alan? Hast du Angst, im selben Wasser zu schwimmen wie wir?«
Alanna sah auf. Die anderen waren plötzlich still geworden.
»Lass mich in Ruhe!«, fauchte sie.
»Lass mich in Ruhe«, äffte er sie nach und wackelte mit den Hüften. »Du kleiner Pisser bist dir wohl zu gut dafür, mit uns zu schwimmen?«
»Ich habe keine Lust zum Schwimmen.« Die anderen beobachteten sie und überlegten, ob sie wohl ein Feigling war. Er wird mich umbringen, dachte sie. Ich bin nur ein Mädchen, und er wird mich umbringen.
Ralon packte sie am Arm. »Ins Wasser mit dir, Page!«, sagte er gehässig. »Wir wollen unseren Spaß haben.«
Alanna rammte Ralon den Kopf in den Magen. Der ältere Junge stieß einen schrillen Schrei aus, bevor er in den Teich fiel und platschend auf die Wasseroberfläche aufschlug.
»Na so was, Ralon!«, rief Raoul. »Komm, ich helf dir heraus!«
Er packte einen von Ralons fuchtelnden Armen und zog ihm die Füße unter dem Körper weg. Unter Raouls Gewicht sank Ralon bis hinunter zum Grund. Er wehrte sich verzweifelt, doch es gelang ihm nicht, Raoul wegzustoßen. Als er schließlich wieder auftauchte, war er halb blind und beinahe ertrunken. Wütend funkelte er Raoul an, der nur hämisch grinste.
»Malven!«, schrie Alanna. Sie hatte sich mit geballten Fäusten am Ufer aufgebaut. »Ich schwimme nicht gern. Versuch bloß nie wieder, mich ins Wasser zu kriegen. Und wag es nicht, mich noch einmal herumzukommandieren. Sonst schlag ich dir die Zähne ein. Hörst du mich?«
Jonathan legte eine Hand auf Ralons Schultern. »Du hast gehört, was Alan sagt«, flüsterte der Prinz. »Vergiss es nicht.« Und damit stieß er Ralon noch einmal unter Wasser.
Alanna ging wieder zu ihrem Platz unter dem Baum zurück. Das würde ihr Ralon nie verzeihen, aber es nutzte nichts, sich schon Sorgen zu machen, bevor der Ärger auch wirklich losging.
An diesem Abend bediente sie eben Sir Myles, als Ralon an ihr vorüberging. Unter dem Lärm des Servierens raunte er ihr zu: »Teilzahlung, kleiner Pisser«, wobei er sie gleichzeitig heftig kniff.
Alanna ließ die Platte fallen, die sie in der Hand hielt, und
unterdrückte einen Schmerzensschrei. Während sie alles aufputzte, unterdrückte sie die Zornestränen. Sie wusste, dass ihr Herzog Gareth später Vorhaltungen machen würde.
»Jeder kann mal ausrutschen«, erklärte ihr Myles freundlich. »Ach, Alan – ich bin ein wenig müde. Wärst du so gut mich zu meiner Suite zu bringen, sobald sich der König erhebt?«
Sie nickte verwirrt. Myles hatte an diesem Abend nur wenig getrunken. Und wenn er nicht betrunken war, bat er sie sonst nie, ihn zu begleiten. Wie sie vermutet hatte, brauchte Myles ihre Hilfe nicht. Als sie jedoch in seiner Suite ankamen und
Weitere Kostenlose Bücher