Alanna - Das Lied der Loewin
tragisch«, versicherte ihr Freund mit zusammengebissenen Zähnen. »Es hat mich schon schlimmer erwischt. Der Drache ist unglaublich, findest du nicht?«
Alanna nickte, während sie die Wunde verband und durch den Druck ihrer Finger das Blut zu stillen versuchte. Die Geschichten, die sie über die Shang-Kämpfer gehört hatte, waren noch weit von der Wahrheit entfernt. Der Drache verteilte seine Schläge und Tritte mit einer derartigen Geschwindigkeit, dass man nur noch verschwommene Bewegungen sah. Wenn er einen Mann traf, ging dieser zu Boden und stand nicht mehr auf.
»Du blutest ja auch«, keuchte Coram und hielt Alannas Arm fest. »Das muss versorgt werden!«
Alanna hörte ihn kaum. Liam hatte sie so beeindruckt, dass sie flüsterte: »So gut werde ich niemals sein.«
Coram schnaubte. »Dazu kann ich dir was sagen, was du noch nicht weißt.« Er setzte sich auf, schob ihre Hände fort und drückte selbst auf die Schenkelwunde. »Mit ’nem Schwert in der Hand bist du genauso schnell.«
Jetzt war wieder alles still. Diejenigen der Angreifer, die noch lebten und unverletzt waren, hatten sich aus dem Staub gemacht. Diejenigen, die blieben, waren entweder so schwer verwundet, dass sie nichts mehr kümmerte, oder sie waren tot.
Der Drache untersuchte einen Riss in seinem Ärmel und trat zu ihnen. »Seid ihr so weit in Ordnung?« Besorgt musterte er Alanna, der langsam schwindlig und ein bisschen übel wurde. Als Coram eine Hand ausstreckte, half ihm Liam auf die Beine. »Ich hab einen Freund besucht und war auf dem Heimweg, als ich den Lärm hörte. Habt ihr denn nicht genug Verstand, um derartigen Problemen aus dem Weg zu gehen?«
Trusty tauchte mit aufgeregt zuckendem Schwanz aus der Dunkelheit auf. Coram und ich schon. Bloß die da nicht.
Liam sah stirnrunzelnd auf den Kater hinunter. »Hast du gerade ...? Unmöglich.« Er fing Alanna auf, als sie schwankte und dann in Ohnmacht fiel.
»Mir kam’s nicht so vor, als wär’s ’ne schlimme Wunde.« Coram nahm Alannas linke Hand und besah sich den Schnitt in ihrem Unterarm. Dann, als er entdeckte, dass er hinten am Oberarm und bis zur Schulter hinauflief, fluchte er. Alannas Hemdärmel war blutgetränkt. »Ich reiß das zu ’ner Binde!«, erklärte er Liam und zog seinen Waffenrock aus. »Am besten bringen wir sie schleunigst in die Herberge – Windfeld kann einen Heiler holen.« Rasch riss er das Kleidungsstück in Fetzen, stellte einen Verband daraus her und legte ihn seiner Herrin an. Dann lief er los.
»Passiert ihr so was oft?«, fragte der Drache, der mit Alanna auf den Armen folgte.
»Sie hat sich schon einige Male überanstrengt, das dumme Ding. Auf unterschiedlichste Weise. Sie ist schnell dabei anderen zu befehlen, dass sie aufhören sollen. Aber auf die Idee, ihre eigenen Ratschläge zu befolgen, kommt sie nie.«
Windfeld übernahm die Sache, als sie den Wandernden Barden erreichten. Schon ein paar Minuten später kümmerte sich ein Heiler um Alanna, während ein anderer Corams Schenkel nähte. Liam ging in die Küche und kehrte mit einer Tasse Tee für Coram zurück. Der Lehnsmann roch ein einziges Mal daran und hustete.
»Hast du was gegen mich?«, erkundigte er sich.
Liam lachte. »Es riecht besser, als es schmeckt. Trink ihn – ich musste auch einen trinken. In Shang brachte man uns
alle möglichen Kräutermittelchen bei, für den Fall, dass mal kein Heiler in der Nähe ist.«
Coram zuckte die Achseln und gehorchte. Er erstickte fast, als er das Zeug hinunterwürgte. Doch fast augenblicklich ging es ihm besser. »Was auch immer das sein mag, es hilft. – Was es ist, will ich gar nicht wissen«, fügte er schnell hinzu, als Liam den Mund aufmachte.
»Es sind bloß Kräuter. Deine Herrin kriegt dasselbe, wenn sie aufwacht. So – wer waren diese Männer?«
»Boten, gewissermaßen. Von einem Feind eines – eines Freundes von ihr.« Liam zog eine Augenbraue hoch, aber der Ältere schüttelte den Kopf. Er hatte nicht vor, einem Mann, den er kaum kannte – auch wenn es sich um den Drachen handelte –, auf die Nase zu binden, dass Alanna in Wirklichkeit Georg Coopers Geliebte gewesen war. »Derjenige, der die geschickt hat, weiß jedenfalls, dass Alannas Tod diesem Freund namens Cooper ganz schön zugesetzt hätte«, fügte er hinzu.
Als Liam gähnte und sich streckte, packte Coram der Neid. Der Rotschopf sah aus, als hätte er keinen Kampf, sondern höchstens ein hartes Training hinter sich. »Tja«, sagte der Drache nun,
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