Alanna - Das Lied der Loewin
trugen einfache, dunkle Kleider und Schleier über dem Haar. Offensichtlich waren sie genauso überrascht wie sie.
Delia erholte sich schnell. »Na so was, wenn das nicht Sir Alanna ist«, höhnte sie mit funkelnden grünen Augen. »Die Frau, die wie ein Mann reitet!«
Alanna nahm Delias Bemerkung als Stichwort und verbeugte sich wie ein Mann. »Prinzessin Josiane. Lady Delia.«
»Ich musste immer mit ihr tanzen, als sie noch so tat, als wäre sie ein Junge«, erzählte Delia der großen Blonden. »Schon damals spürte ich, dass da irgendwas nicht stimmte.«
»Komisch«, sagte Alanna nachdenklich. »Soweit ich mich erinnere, wart Ihr hinter mir her. Ihr versuchtet mit mir zu flirten, weil die Männer sagten, ich hätte nichts übrig für Frauen, und weil Ihr wolltet, dass ich mich in Euch verliebe.«
»Lügnerin!«, zischte Delia.
Alanna zuckte die Achseln. »Wie Ihr meint. Man hat mir beigebracht, die Worte einer Dame nicht in Frage zu stellen.«
»Man sagte mir, Ihr wärt einmal Jonathans Geliebte gewesen«, sagte Josiane unvermittelt und senkte dabei ihren Blick. »Hat er Euch deshalb zu seinem Kämpen gemacht?«
Von dem Angriff aus dieser unerwarteten Richtung überrascht, machte Alanna einen Schritt rückwärts. Sie ballte die Hände zu Fäusten, während sie sich Mühe gab nicht die Beherrschung zu verlieren. »Man sagte mir, Ihr hättet meinen Platz in seinem Herzen eingenommen – zumindest für eine kurze Weile«, entgegnete sie freundlich. »Warum hat er Euch nicht zum Premierminister ernannt?«
Die Wut verzerrte Josianes schönes Gesicht zu einer hässlichen Fratze. »Glaubt ja nicht, dass Ihr mir mit derartigen Bemerkungen eins auswischen könnt«, zischte sie.
»Hattet Ihr denn vor, der Kämpe des Königs zu werden?«, wollte Alanna wissen. »Ihr habt nicht die richtige Ausbildung dafür.«
Als Delia nach Josianes Arm griff, konnte Alanna sehen, wie sich die blutroten Nägel darin vergruben. »Ich verschwende meine Zeit nicht mit Dirnen, Josiane«, fauchte Delia. »Und genauso wenig solltest du es tun.« Sie zerrte die Prinzessin im wahrsten Sinne des Wortes davon.
»Die könnte Schlimmes anrichten«, sagte Alanna später an diesem Abend zu Liam und Myles, als sie beisammensaßen und Branntwein tranken. Von draußen hörte man den Lärm des Beltane-Festes. »Ich bin ja keine Expertin, aber Josiane ist verrückt!«
»In den Adern der Könige von den Kupferinseln fließt schlechtes Blut«, sagte Liam langsam und mit müden Augen. »In jeder Generation bringen sie einen Wahnsinnigen hervor – Josianes Onkel ist irgendwo in einem Turm eingesperrt. Es liegt wohl daran, dass es ein Insel-Königreich ist – zu viel Inzucht.«
»Ich glaube, es wäre eine gute Idee, wenn die Spione des Obersten Richters sie im Auge behielten«, meinte Alanna. »Ich traue ihr nicht.«
»Er lässt sie schon beobachten«, beruhigte sie Myles. »In Zeiten wie der jetzigen ist jeder und jede Edle aus dem Ausland verdächtig.«
Alanna rutschte unruhig auf ihrem Sessel umher. »Ich wollte, die Krönung wäre vorüber. Diese Warterei geht mir auf die Nerven.«
»Sobald er mit der Krone und dem Land verbunden ist, wird es schwer sein, ihm seine Position streitig zu machen«,
sagte Liam gähnend. »Umso mehr, wenn das Juwel so viel taugt, wie man sagt.«
»Wir konnten immer noch nichts finden, was auf eine Verschwörung hindeutet«, sagte Myles. »Und jetzt, wo allmählich all die Leute eintreffen, die an den Zeremonien teilnehmen, wird es nicht einfach sein, bewaffnete Krieger auszumachen, die kommen, um sich an einem Umsturz zu beteiligen.«
»Georg und ich reiten jeden Tag durch die Stadt«, sagte Liam plötzlich. »Genauso wie der Oberste Richter und Herzog Gareth. Wir vier müssten jeden Kriegertrupp mit Leichtigkeit erkennen. Auch die Männer des Richters sind in Alarmbereitschaft.« Er sah, dass Alanna ihn anstarrte, und musste grinsen. »Dachtest du, du könntest mich von deinen Sorgen fernhalten? Ich bin immer noch dein Freund – ich werde nicht untätig herumhocken, wenn auch nur die geringste Möglichkeit besteht, dass es zu Kämpfen kommt.«
Alanna lächelte den Drachen dankbar an. »Jetzt, wo ich weiß, dass auch du die Dinge im Auge behältst, fällt mir wirklich ein Stein vom Herzen.«
Georg steckte den Kopf herein. »Aha, da seid ihr. Myles, hier ist noch ein Besucher, den ich deiner rauen Behandlung ausliefern will.« Mit einer eleganten Verbeugung führte er den Gast herein.
»Meister
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