Alantua
Schwarze
Insel liegt weit nördlich.“
Und
so sang Carlo wieder, diesmal ein rhythmisches Lied, das zum Tanzen
einlud. Abbet ließ es sich nicht nehmen, mich mit galanter
Verbeugung dazu aufzufordern. Andere Männer erhoben sich
ebenfalls. Sie hüpften, klatschten und ich fühlte mich so
ausgelassen, dass ich einfach mitmachte. Nach dem dritten Tanzlied
zollten der Schnaps und das Kleid ihren Tribut. Mit leuchtenden
Wangen setzte ich mich auf den Boden.
Mergengar
stimmte ein Lied an. Er sang von seiner Heimat, die weit im Süden
lag, von seinem Weib und seinen Kindern, die er vermisste. Die Männer
wurden still und lauschten. Der ein oder andere dachte nun auch an
ein Weib und an die Heimat. Als das Lied in trauriger Weise endete,
herrschte Stille.
Carlo
war es, der als erster wieder redete. „Warum schickt Euch
Tallgards König nach Hause?“
Meine
ausgelassene Stimmung war verflossen. „Ich soll für ihn
mit der Königin sprechen.“
„Aber
das wollt Ihr nicht?“
Ich
schüttelte den Kopf. Lange hatte ich nicht davon gesprochen. Die
Dinge, die passiert waren, lagen hinter mir, sie gehörten zu
einem anderen Leben. Und doch holten sie mich jetzt ein. Würde
ich denn niemals Ruhe haben? Ich hätte den Männern der
Anjina
meine Geschichte nicht erzählen müssen. Aber sie lag schwer
auf meiner Seele und wenn sie wenigstens wussten, was geschehen war,
so konnten sie mich vielleicht verstehen.
„Ich
wollte nie wieder zurück nach Alantua. Vor neun Jahren hat man
meinen Vater als Verräter hingerichtet. Ich habe die Königin
angefleht, den Rat angefleht ... selbst die Götter habe ich
angefleht, ihn zu verschonen. Niemand hat mich erhört. Sie
töteten ihn und ich verließ Alantua.“
Stille
und betroffene Gesichter.
„Ich
hätte weiter nach Westen gehen sollen“, murmelte ich.
„Tallgard war noch zu nahe.“
„Was
hat König Berenbarr mit Euch vor?“ hakte Carlo nach.
„Die
Hohe Hochzeit, das alte Ritual der Vereinigung.“
„Ihr
sollt den König also heiraten?“
„Nicht
ganz... Für eine gewisse Zeit wären wir Gott und Göttin
und würden das Bett teilen. Bis ein Kind daraus entsteht. Dann
ist gewahrt, dass die Vereinigung wirklich fruchtbar war und für
das Land ebendiese Fruchtbarkeit beschert. Danach geht jeder wieder
seiner Wege.“
„Warum
hat er Euch dann nicht einfach gleich dabehalten?“
„Weil
die Königin zustimmen muss. Hier geht es auch ein wenig um
Diplomatie und ich bin nur der Spielball zwischen dem König von
Tallgard und der Königin von Alantua.“
Carlo
sprang auf. „Das können wir nicht zulassen! Wir können
sie nicht der Königin ausliefern“, stellte er fest. Einige
nickten.
„Was
bleibt uns anderes übrig?“ wollte Abbet wissen. „Die
Flotten von Tallgard und Alantua wären hinter uns her!“
„Sie
muss sich ihrem Schicksal stellen“, rief Hulgo, der
Gelbhaarige.
Die
Männer riefen durcheinander, jeder tat seine Meinung lautstark
kund.
„Was
ist mit der Belohnung?“
„Lasst
uns einfach nach Süden segeln!“
„Wir
könnten nie mehr zurück!“
„Sie
hat auch ein Recht auf Freiheit!“
Kapitän
Dannerr erhob sich. „Lasst uns abstimmen“, brachte er sie
zur Ruhe. „Bedenkt, was es zu verlieren gibt.“
„Bedenkt
aber auch, wie ihr euch an meiner Stelle fühlen würdet“,
sagte ich leise.
„Also
gut, wer ist dafür, sie gehen zu lassen?“
Etwa
die Hälfte der Männer meldete sich. Ich selbst hob
ebenfalls den Arm und Puk rief von oben: „Ich auch!“
Dannerr
nickte in die Runde. „Und wer ist dagegen?“ Nun meldete
sich die andere Hälfte. Es gab keine Enthaltungen. Der
Steuermann meldete sich ebenso. Und der Kapitän.
„Es
tut mir leid“, sagte er aufrichtig. Genau zwei Stimmen mehr
waren gegen mich.
„Scheiß
drauf“, brummte ich. Ich hatte nichts anderes erwartet. Die
Männer mussten auch an sich denken und an ihre Familien, so sie
denn welche hatten. Betretenes Schweigen machte sich breit.
„Jetzt
würde ich gerne Euren Schwarzwein probieren“, sagte ich.
Dannerr führte mich zu seiner Kajüte unter Deck.
Ich
hatte eine opulente Ausstattung mit kostbaren Möbeln, Kissen und
Ähnlichem erwartet. Als er einige Kerzen entzündet hatte
offenbarte sich mir eine schlichte Einrichtung ganz ähnlich der,
die ich in meinem Gemach in Olthing besessen hatte: Ein schmales
Bett, eine Truhe, ein großer Schreibtisch, auf dem eine Karte
ausgerollt lag. Allein die Kerzenhalter waren aus Silber.
„Es
tut mir wirklich leid“,
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