Alantua
streckte die
müden Glieder und kam zu uns vor den Kamin. Wie viel hatte sie
von unserem Gespräch mitbekommen?
„Trinkt
ihr den ganzen Wein allein?“
Ich
reichte ihr einen gefüllten Becher. „Das ist Schwarzwein,
schlägt mächtig hinter die Ohren. Na, traust du dir das
zu?“
Anyún
nahm den Becher. „Das, was ihr könnt, kann ich auch.“
Sie
nippte zunächst, befand den Tropfen für genießbar und
trank einen Schluck, den sie mit geschlossenen Augen genoss.
Ich
legte einen Scheit Holz im Kamin nach. Bald züngelten die
Flammen und ergriffen davon Besitz.
„Wie
... wie ist König Berenbarr denn so?“ fragte Anyún
schüchtern.
„Ich
habe gehört, er sei sehr groß, wie alle Krieger
Tallgards“, merkte Phiol an.
„Vielleicht...“
Anyún errötete. Es bestätigte, dass sie überhaupt
keine Erfahrung in diesen Dingen hatte. „Vielleicht wäre
es gar nicht so schlimm, die Hohe Hochzeit mit ihm zu vollziehen?“
Ich
schmunzelte, nein, ich lachte. „Hast du denn überhaupt
schon einmal bei einem Mann gelegen?“
Anyúns
Gesichtsröte vertiefte sich, als sie den Kopf schüttelte.
Ich
ließ mich nach hinten sinken in die Kissen, die Phiol hier
ausgebreitet hatte und schloss die Augen. „Ja, Berenbarr, ist
ein großer Krieger und ein stattlicher Mann mit goldenem Haar
und vollem Bart. Seine Augen sind blau wie der Sommerhimmel. Und wenn
er lacht, geht die Sonne auf im Busen einer jeden Frau. Aber sein
Herz ist gebrochen. Oh wehe jeder Frau, die sich nach ihm sehnt, denn
ihr Sehnen wird für alle Zeiten unerfüllt bleiben.“
„Warst
du ... hast du ...“ Anyún legte sich bäuchlings
neben mich. Das Thema schien sie sehr zu interessieren.
„Das
Bett mit ihm geteilt?“ Ich lachte nochmals. „Nein, nie.
Zum Glück, denn er ist auch ein Verräter. Oder vielleicht
hätte ich es tun sollen, dann wäre ihm der Verrat womöglich
etwas schwerer gefallen. Nein, ich habe nicht bei ihm gelegen.“
„Und
warst du in ihn verliebt?“ Anyún versteckte ihr Gesicht
halb in den Kissen.
„Liebe
... falls es sie überhaupt gibt ... beruht auf Vertrauen.
Berenbarr hat mein Vertrauen missbraucht...“
„Es
ist nicht so, wie Barden und Dichter davon berichten“, fügte
Phiol hinzu. „Herzklopfen, Leidenschaft... das alles ist
vergänglich. Was zählt sind Verbundenheit und Treue.“
„Vertrauen“,
fügte ich hinzu.
Dieser
Moment, den wir vor dem Kamin teilten... Nie zuvor hatten wir
Schwestern so beisammen gesessen. Nicht nur aufgrund unseres
Altersunterschiedes, auch weil wir nie wirklich Zeit miteinander
verbracht hatten. Wir lebten an verschiedenen Orten und in ganz
verschiedenen Welten. Ich spürte ein Sehnen in mir. Ich wollte
nicht mehr allein sein. Die Bären waren lange meine Familie
gewesen. Danach war es die Leibwache des Königs gewesen. Die
Schmuggler hätten zu einer anderen Zeit an einem anderen Ort
auch meine Familie werden können. Doch Anyún und Phiol...
Sie waren
wirklich
meine Familie. War Blut am Ende doch wichtiger als alles andere? Wir
teilten viel mehr als nur das königliche Blut in unseren Adern.
Die verdammten Götter und unsere halsstarrige Mutter stellten
uns vor dieselbe Herausforderung. Sie wollten über unsere Leben
bestimmen, es uns aus der Hand nehmen. Der Knoten der Wut wurde
fester. Ich konnte kaum atmen.
„Wenn
ihr mich nicht nach Kantú fahren lasst, welche von euch wird
es dann tun?“ wollte unsere kleine Schwester wissen.
Phiol
atmete tief durch. „Ich werde es tun. Ich kenne Kantú
und ich kenne das Monster, das mich dort erwartet. Es ist, wie du
gesagt hast, Anyún. Wir können nicht immer weglaufen. Ich
werde mich der Verantwortung nicht entziehen. Aber ich habe eine
verdammte Angst davor.“
„Ich
kann mit dir kommen“, bot Anyún an. „Du musst dich
nicht allein stellen. Wir können es genauso gut zusammen tun.
Wenn wir zusammenhalten, sind wir stärker.“
„Nein“,
sagte ich. „Ich werde mit ihr gehen.“
„Wirklich?“
Phiol lächelte. „Du gehst nicht fort?“
„Ich
lasse euch nicht im Stich. Gemeinsam könnten wir in Kantú
tatsächlich gegen Arthano bestehen. Du kennst dich dort aus und
ich kenne mich mit dem Kämpfen aus. Wir passen gegenseitig auf
uns auf.“ Ich nahm ihre Hand und drückte sie fest.
Anyún
strich sich ihre Locken aus der Stirn. „Ob Mama das zulassen
wird? Sie sagte, es gebe drei Aufgaben für drei Töchter...“
„Sie
muss unsere Entscheidung akzeptieren. Wenigstens dieses eine Mal“,
grollte
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