Alarm auf Wolke sieben
der Küche und den Zimmern vom Koch und von Mary. Wir haben sogar den Keller abgesucht, obwohl Esme sich dort unten fürchtet und niemals freiwillig hinuntergehen würde. Ich habe in meinem Atelier nachgeschaut und überall auf dem Grundstück, wo sie spielen darf, seit die Reporter sich vor dem Tor herumtreiben.“
„Und vorn?“
„Nein. Das wäre zwecklos gewesen. Ich habe ihr oft genug gesagt, sie darf …“ Victoria unterbrach sich selbst. „Oh Gott, was bin ich für ein Idiot? Das würde es für sie nur umso interessanter machen.“ Sie riss sich los und rannte zur Tür. Noch bevor sie die Treppe erreichte, hatte John sie überholt. Als sie unten ankam, war er schon zur Tür raus und sprintete die Einfahrt entlang. Die Entfernung zwischen ihnen vergrößerte sich noch, als er plötzlich den Weg verließ und zwischen den Bäumen verschwand.
Er verlangsamte sein Tempo und atmete bewusst ein und aus, um seine Atmung und seinen Herzschlag wieder zu beruhigen. Gott, er konnte außer seinem eigenen Schnaufen kaum etwas hören. Erstaunt stellte er fest, dass er beinahe genauso panisch war wie Tori.
Er wusste jedoch besser als die meisten anderen Menschen, dass es für eine Mission höchst gefährlich war, seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen. Sich selbst plötzlich dabei zu ertappen war eine höchst unerfreuliche und völlig inakzeptable Erkenntnis.
Ein Problem zu erkennen und etwas dagegen zu tun waren jedoch leider zwei völlig unterschiedliche Dinge. Dies war nun einmal keine normale Mission. Hier ging es um sein Kind, sein kleines Mädchen, das verschwunden war.
Trotzdem zwang er sich, ganz ruhig stehen zu bleiben und zu lauschen.
Kaum hatte er sich beruhigt, hörte er auch schon etwas, das er viel früher hätte wahrnehmen sollen. Ein Stück entfernt, irgendwo an der Mauer, flüsterte ein Mann etwas. Leise schlich John in die Richtung. Als er auf etwa dreißig Meter herangekommen war, wurden aus dem unverständlichen Gemurmel deutliche Wörter.
„Hallo, Süße“, hörte er eine aufgesetzt freundliche Stimme sagen. „Schau mal hierher. Du heißt Esme, nicht wahr? Du bist ein sehr hübsches kleines Mädchen, Esme. Lächelst du mal für die Kamera? Komm schon, Süße, schau hierher.“
Heiße Wut pulsierte in seinen Adern. Langsam und vorsichtig schlich John auf die schmeichelnde Stimme zu. Die Bäume standen hier viel dichter, aber er folgte der Stimme zu einer kleinen Lichtung. Dort – auf dem Grund und Boden des Anwesens – hockte ein Mann mittleren Alters mit einem schicken Hemd und einer grässlichen Frisur. Er hatte eine teure Kamera auf Esme gerichtet, die stocksteif vor ihm stand. Sie hatte zu viel Angst, um sich zu bewegen, während er ihr abwechselnd schmeichelte und sie anbettelte, für ihn zu lächeln. In der Zwischenzeit machte er Foto um Foto.
Johns erster Gedanke war, dem Mistkerl den Kopf abzureißen, und zwar so langsam und schmerzhaft wie möglich. Er machte einen Schritt auf ihn zu, bevor ihm klar wurde, dass Esme ohnehin schon panische Angst hatte. Er atmete tief durch. Plötzlich hörte er, wie Victoria und Jared nach der Kleinen riefen; sie waren aber noch so weit entfernt, dass weder der Reporter noch Esme etwas davon mitbekamen.
John musste sich entscheiden: Sollte er sich wie Rambo auf den Reporter stürzen und Esme aus den Klauen des Bösen retten? Oder sollte er doch lieber etwas diskreter vorgehen? Er wählte Letzteres. Esme sollte schließlich nicht zusehen, wie der Mann, dem sie vertraute, gewalttätig wurde. Sie hatte schon genug Angst.
John ging in die Knie und watschelte im Entengang von Baum zu Baum, bis er ganz nah bei ihr war. „Es“, rief er leise.
Ihr Kopf schoss hoch, und sie drehte sich in seine Richtung um, panisch die Schatten zwischen den Bäumen absuchend.
Immer noch hockend ging er ein Stück vom Baum weg, damit sie ihn sehen konnte, und breitete die Arme aus. „Komm zu Daddy, Süße.“
„Geier!“, schrie sie und rannte auf ihn zu. Gerade als Victoria und Jared die Lichtung erreichten, warf sie sich in seine Arme. John stand auf, und plötzlich entdeckten sich alle gleichzeitig. Victoria und Jared riefen Esmes Namen, Esme schrie „Mami!“ und streckte ihre Arme nach ihrer Mutter aus, und der Reporter fluchte und versuchte, seitwärts zu entkommen.
„Das würde ich lieber bleiben lassen!“, sagte John grimmig. Er übergab Victoria Esme und befahl Jared, sie beide ins Haus zu bringen. Dann machte er sich an die Verfolgung des Reporters.
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