Alarm im Tunnel Transterra
nicht zu verstehen für uns, sowenig wie für eine Ameise die Möbiusschleife. Sie würde sich totlaufen bei dem Versuch, die zweite Oberfläche dieses paradoxen Gebildes zu suchen.
Spinks machte mir in seiner kaltschnäuzigen Art Mut: „Überlegen Sie mal, Inspektor! We nn die Fremden auf diese Weise zu reisen pflegen, kann das ihrem Zeitempfinden besonders schaden. Wer verreist schon mit dem Ziel, nie nach Hause zurückzukehren. Die Welt, aus der sie kommen, muß also noch dasein. Dann ist die alte Mutter Erde genauso an ihrem alten, gewohnten Platz. Kein Grund zur Resignation also. Sauerstoff brauchen wir, Sauerstoff.“ Er fluchte ungehalten und fuhr fort:
„Bis jetzt dachte ich, die Hunde wollen uns garkochen. Aber wie es aussieht, machen die sich gar nichts aus uns. Verdammt, die lassen uns einfach krepieren!“
Sterben ist nicht einfach. Doch mich berührte der Gedanke an den nahen Tod relativ wenig. Die über mich hereingebro-chene Flut unglaublicher, phantastischer und niederschme tternder Ereignisse hatte meine Sinne wie ein Rauschmittel betäubt. Andererseits wollte ich auch nicht unbedingt sterben und mußte zugeben, daß Spinks recht hatte – wir brauchten im Augenblick nur eins: Sauerstoff!
Unsere Sorge um genügend Atemluft war gegenstandslos.
Davon überzeugte uns Bob auf beeindruckende Art. Sein auf ein Denken in groben Kategorien reduzierter Verstand erwies sich unseren vollgestopften Köpfen als überlegen. Spinks trug sonst den Gasanalysator am Handgelenk, deshalb fiel ihm die kleine Anzeige neben dem Helmmikrofon in einem seiner kürzlich erstandenen Epsilonanzüge nicht auf. Und ich glaubte nun einmal fest daran, fremde Wesen müßten in jedem Fall ein anderes Gasgemisch atmen als wir Menschen. Deshalb galt für mich als selbstverständlich, daß mein Analysator einen Defekt hatte. Bob befragte unvoreingenommen seine Instrumente. Er kannte nur ein Axiom: Instrumente lügen nicht.
Bobs geöffnetes Helmvisier bemerkte ich erst, als er mich am Arm berührte. Zuerst sah ich nur sein fröhliches Lächeln und die mir unverständlichen Zeichen seiner Finger. Dann wurde mir bewußt, daß zwischen seinem Gesicht und dem meinen nur noch einmal Glas war – das meines Helmes! Bobs Lebendig-keit ließ keinen Zweifel daran, daß die Atmosphäre im Raumkreuzer von uns Menschen geatmet werden konnte, und sie schien Bob ausgezeichnet zu bekommen. Mir blieb bei diesem Anblick das Herz für einen Moment stehen – bis ich begriff, daß wir gerettet waren. Gerettet! Mein Vorrat hätte nur noch sieben Stunden gereicht…
Ich fiel Bob um den Hals und versteckte mein Gesicht. Ohne Tränen sterben ist leichter als ohne Tränen leben. Spinks hörte mein verhaltenes Schluchzen und drehte sich nach uns um.
„Machen Sie nicht schlapp! Wir haben noch Zeit. Mein Sauerstoff reicht noch vier Stunden, wie sieht es bei Ihnen aus?“ Er verkannte die Situation völlig.
Als ich nicht reagierte – ich brachte kein Wort heraus –, ging er weiter und sagte über die Schulter: „Notfalls lassen Sie sich von Bob etwas abgeben. Der braucht nicht soviel wie wir.“
Ich schob das Helmvisier nach oben und atmete tief durch.
Die Luft schmeckte etwas säuerlich, aber es war Luft. Herrlich viel, unendlich viel Luft. Ein ganzes Raumschiff voller wunderbarer, lebenspendender Atemluft. Ich ließ Bob los und rief Spinks zu: „Magister, schauen Sie, wir haben mehr Sauerstoff, als wir brauchen!“
Der Korenther wandte sich unwillig um, doch er verschluckte die Bemerkung, die sein Gesichtsausdruck ankündigte. Seine erste Bewegung war ein Panthersatz. Er sprang auf mich zu und hob die Hand, wohl um mein Visier herunterzuschlagen, dann sah er, daß Bobs Helm ebenfalls geöffnet war, und verharrte reglos. Er starrte uns mit aufgerissenen Augen an, seine Blicke kreisten über unseren Gesichtern wie Geier, die auf das Ende eines sterbenden Steppentieres warten. Dann ächzte er und sprach erstaunlich ruhig: „Warum sagen Sie nicht gleich, daß Sie einen Gasanalysator besitzen!“ Ohne zu zögern, lockerte er die Dichtung und schob das getönte Glas ebenfalls nach oben. Seine Nase schien mit dem Wechsel nicht ganz einverstanden. Sie wurde plötzlich spitz und faltig, weil sich die Nasenflügel nach oben zogen. „Stinkt wie eine Jauchegru-be!“ Damit war für ihn der Fall erledigt.
Natürlich bestand die Gefahr, daß die Luft mit Krankheitser-regern verunreinigt war. Doch darüber sprachen wir nicht, obwohl es bestimmt auch Spinks
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