Alarm im Tunnel Transterra
durch den Kopf ging. Das wäre ohnehin nicht zu ändern gewesen. Viel mehr beschäftigte mich der Umstand, daß die Zusammensetzung der Atmosphäre fast mit dem irdischen Gasgemisch identisch war. Da mein Gasanalysator völlig in Ordnung war – im Gegensatz zu meinem Vertrauen in unsere vorzügliche Technik –, stellte ich das genaue Mischungsverhältnis fest. Edelgase und Kohlendioxid fehlten völlig. Dafür war der Sauerstoffgehalt etwas höher.
Das Fehlen von Kohlendioxid machte mich stutzig. Das konnte nur eins bedeuten: Wir waren die einzigen lebenden Wesen an Bord! Sonst hätte das Stoffwechselprodukt CO2 in meßbarer Menge feststellbar sein müssen. Wir hatten bis vor kurzem unsere eigene Atmosphäre mit uns herumgeschleppt, jeder seine ganz persönliche, also konnten wir die Luft noch nicht spürbar verunreinigt haben. Ich teilte meine Überlegungen dem Korenther mit.
„Jetzt fangen Sie schon wieder an!“ Spinks stöhnte auf. „Ich habe dieses Rüsselwesen gesehen! Gesehen, hören Sie? Mit diesen beiden Augen.“ Ich wollte einen Einwand vorbringen, aber er ließ mir keine Zeit. „Das Fehlen von Kohlendioxid ist doch wirklich kein Argument. Die besitzen eben eine verdammt gute Klimaanlage.“
Das war immerhin möglich, obwohl sehr aufwendig. „Aber warum haben sie die gleiche Atmosphäre wie wir?“ fragte ich ihn.
„Die gleiche? Was weiß ich – wenn es kohlenstofforganische Lebewesen sind, können sie auch die gleiche Luft atmen. Oder halten Sie das für ausgeschlossen? Übrigens ist es ja gar nicht die gleiche. Bei mir im BOXER hat’s nicht so furchtbar ge-stunken.“
Ich erinnerte mich an die Leichen der Quallenwesen und schwieg. Wir befanden uns nun schon drei Tage in Gefangenschaft, und immer noch hatte sich keiner der Entführer gezeigt.
War es nur ein sonderbarer Zufall, daß sie die gleiche Luft atmeten wie wir Menschen? Vor allem, wer atmete dasselbe Gasgemisch wie wir? War es den Piraten gelungen, den Ve r-sorgungsmechanismus auf ihre Bedürfnisse umzustellen, oder atmeten wir die Luft, die den Quallenwesen unentbehrlich war?
Dann müßten die Eroberer des Raumkreuzers Skaphander tragen. Oder wollte es der Zufall, daß…
Meine Überlegungen widersprachen in einigen Fakten der von Spinks aufgestellten Theorie, die sich ohnehin in vielen Punkten als unzulänglich erwiesen hatte. Aber ich hatte immer noch keine bessere. Nirgends waren Räume, die entfernt an irdische Kabinen erinnerten. Keine Möbel, keine Geräte –
nichts! Wie sollte man das mit der Existenz vernunftbegabter Lebewesen in Einklang bringen? Das wiederum sprach für die Hypothese vom Piratenakt.
Wir sollten lieber noch einen letzten Versuch mit den Sonnensteinen unternehmen! Wie fremd ihre Natur auch der unseren war – irgendwie mußte eine Verständigung gelingen!
Spinks war nicht dazu zu bewegen, seine Einwilligung zu geben. Ohne seine Zustimmung wagte ich nicht, Bob zu bitten.
So blieb alles beim alten. Wir durchsuchten den Raumkreuzer und fanden nichts und niemanden. Außer uns hielt sich in diesem Schiff anscheinend keiner auf. Wie Schiffbrüchige, die es auf den Fliegenden Holländer verschlagen hat, trieben wir durch den Ozean ohne Horizont und Ufer. Und die gespenstische Besatzung blieb unseren menschlichen Augen unsichtbar.
Auf diesem Schiff gab es keine Geisterstunde.
Am vierten Tag ergebnisloser Suche spürten wir den Hunger.
Mein kleiner Getränketank, in dem sich immer ungesüßter verdünnter Zitronensaft befand, war auch fast leer. Aber schlimmer war der Hunger. Wir hatten vier Tage nichts gegessen. Ohne Pause durchstreiften wir den Raumkreuzer. Spinks jagte uns immer wieder hoch. Mein Widerstand war am Erlö-
schen, und ich gehorchte willenlos, wenn der Magister uns durch das Raumschiff trieb. Er gab nicht auf. Er wehrte sich mit der Zähigkeit einer Katze und einem eisernen Willen, der immer mehr Macht über mich gewann. Die Schimpfnamen, die er mir und Bob an den Kopf warf, zeugten von einer außerordentlichen zoologischen Begabung. Aber er erreichte damit, daß wir uns wieder aufrappelten und durch die Gänge schleppten.
Immer häufiger verweilten wir im Auge und starrten in das dunkle, unerreichbare Loch. Es zog uns mit magischer Gewalt an. Spinks stellte sich direkt darunter und befahl mir, auf seine Schultern zu steigen. Ich stand einen Augenblick schwankend wie ein Grashalm im Wind dort oben und fiel völlig erschöpft hinab. Der Schmerz war kaum zu spüren, ich wunderte mich
Weitere Kostenlose Bücher