Alasea 01 - Das Buch des Feuers
Handbewegung. »Natürlich wurde der Alchimist für eine derartig ketzerische Behauptung verbrannt. Dennoch, man macht sich so seine Gedanken.«
Beide Männer betrachteten den Vogel. Elena spürte ihre Blicke. »Kann ich… darf ich ihn behalten?« fragte sie, und in ihren Augen spiegelte sich der Glanz des Mondlichts, der auf den Federn des Vogels schimmerte.
»Er ist ein Geschöpf der Wildnis«, antwortete Bol. »Ich glaube nicht, dass ich - oder irgendjemand sonst - sein Herz beherrschen kann. Er trifft seine eigenen Entscheidungen, und aus irgendeinem Grund hat er sich für dich entschieden.«
»Glaubst du, dass er bei mir bleiben wird?«
Bol zuckte mit den Schultern. »Wer kann das sagen? Aber vielleicht, mein Schatz, ist der Vogel einfach durch die dunklen Gänge verwirrt. Wahrscheinlich ist er in diese Höhle geflogen, um dem Unwetter zu entfliehen, und hat sich verirrt. Wenn er erst wieder draußen im Wald ist, dann wird er, so vermute ich, davonfliegen.«
Er’ril wandte sich von den beiden ab; seine Augen betrachteten erneut die dunkle Treppe. Er hatte jetzt genug von dem Getue um einen versprengten Vogel. Selten oder nicht, das Tier trug nichts zu seiner Suche nach dem eisernen Schlüssel bei. Der diebische Kobold war diese Treppe mittlerweile bestimmt schon tief hinabgestiegen und wäre schwer zu finden in dem Gewirr aus Gängen und Hallen. Eine weitere Verfolgung führte wahrscheinlich zu nichts, doch Er’ril konnte das in ihn gesetzte Vertrauen nicht enttäuschen. Der Schlüssel, einer von zweien, war ihm von der Bruderschaft anvertraut worden, seiner Familie zu Ehren… und für sein Opfer. Er spürte einen Stich in dem Stumpf, wo einst sein rechter Arm gewesen war. Bei der Erinnerung schloss er die Augen. Der Preis für den Schlüssel war sehr hoch gewesen.
Er schüttelte sich, öffnete die Augen und hob das Schwert. Nein, er würde den Schlüssel keinesfalls diesen elenden, zischenden Geschöpfen überlassen. »Wir sollten weitergehen. Die Fährte wird kalt.«
Bol nickte und hob seine Laterne auf, die er auf einer Stufe abgestellt hatte. »Nun, jetzt haben wir wenigstens zwei Lichtquellen«, sagte er, wobei er die Lampe hob und in Richtung des Mondfalken nickte. »Vielleicht können wir so die erkaltete Fährte besser ausleuchten.«
»Wenn wir noch länger warten, wird uns nicht einmal mehr die Mittagssonne helfen.« Er’ril machte sich auf und ging voraus, die Stufen hinunter. Seine Stiefel stampften auf den Stein, gefolgt von den leichteren Schritten der anderen. Sosehr er die durch den Vogel verursachte Verzögerung auch bedauerte, musste Er’ril doch feststellen, dass sich Bols Worte als zutreffend erwiesen. Aufgrund des zusätzlichen Lichts waren Schlamm und Schmutz jetzt besser zu erkennen, und er konnte verhängnisvolle Fehltritte vermeiden. Außerdem enthüllte das Licht kleine Fußabdrücke mit weit gespreizten Zehen, die ein Muster in der dünnen Schlammschicht bildeten.
Er’ril deutete mit der Spitze seines Schwerts auf die Abdrücke, schwieg jedoch. Bol nickte. Das Bewusstsein, dem Geschöpf, das sie verfolgten, dicht auf den Fersen zu sein, trieb die Gruppe zu größerer Eile an. Hier war der Beweis, dass das Objekt ihrer Jagd kein Phantom war, sondern ein Wesen aus Fleisch und Blut. Während sie ihren Weg schweigend fortsetzten, wurde die Luft immer feuchter, und der Nebel verdichtete sich. Bald hatte Er’ril in der dunstigen Luft Schwierigkeiten zu atmen.
Auch Bols Atem rasselte zwischen den Worten. »Bist du… sicher… dass es keine andere Möglichkeit gibt… die magischen Mauern von A’loatal aufzuschließen? Brauchen wir wirklich… diesen Schlüssel? Vielleicht könnte Elenas Magik…«
»Nein!« fauchte Er’ril ihn an. »Ich muss… wir brauchen den Schlüssel.«
»Und ich will keine Magik ausüben«, erklärte Elena; ihre Stimme klang brüchig vor Angst.
Der Onkel tätschelte ihr beschwichtigend den Kopf, versuchte, sie zu beruhigen, doch stattdessen erntete er ein scharfes, warnendes Zirpen von Seiten des Falken. Der Vogel plusterte die Brust auf, und seine schwarzen Augen richteten sich nadelspitz auf die Finger des alten Mannes. Bol zog die Hand zurück. »Ich schätze, ich muss mich geschlagen geben.«
Er’ril beschleunigte seine Schritte die Stufen hinunter, aus Angst, eine weitere Verzögerung könnte die schwache Spur, der sie folgten, völlig verwischen. Doch eine andere Sorge beschleunigte seinen Gang ebenso: Der Alte könnte ihn womöglich dazu
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