Alasea 01 - Das Buch des Feuers
Stimme klang gereizt und ungeduldig.
»Du stammst nicht aus dieser Gegend, stimmt’s?«
Der andere schüttelte den Kopf.
»Woher bist du?«
Mogwied blieb stumm.
Rockenheim merkte immer, wenn jemand versuchte, sich eine Geschichte zurechtzuspinnen. Dieser Mann hatte Geheimnisse. Das gefiel ihm. Jemand, der etwas zu verbergen hatte, konnte zu etwas gezwungen werden - sofern es Rockenheim gelang, sein Geheimnis zu lüften.
»Ich… ich komme aus dem Südland«, erklärte Mogwied schließlich.
Rockenheim nickte, glaubte ihm kein Wort. Selbst Ni’lahn spürte offenbar, dass der Fremde log, denn sie blickte mit unwilliger Miene auf.
Was suchte der Mann in diesem elenden Wald? Was wollte der Fremde? Die Sehnsucht im Herzen eines Mannes war der Preis seiner Seele. Wenn er das enthüllen könnte…
Während Rockenheim Mogwied weiterhin musterte, spannte und krümmte sich der Fremde plötzlich. Einen Herzschlag später wieherten die Pferde aufgeregt. Das Schlachtross stampfte mit dem eisenbeschlagenen Huf auf.
Dann hörten Ni’lahn und er es gleichzeitig: Das Schlagen schwerer Flügel näherte sich aus der Tiefe des Tals. Es kam aus der Richtung der Kate. Keiner brauchte den Namen des Wesens auszusprechen, das da heranflog.
»Anscheinend haben sie das Mädchen nicht gefunden«, sagte Rockenheim.
»Schnell!« drängte Ni’lahn. »Die Höhle liegt nicht weit von hier entfernt. Sie ist zu klein für Skal’ten. Da sind wir sicherer. Kral ist bereits dort.«
Anscheinend kannte Mogwied den Unterschlupf, von dem sie sprach. Er zupfte Ni’lahn am Ärmel. »Nein, dort sind wir nicht sicher. Meine Mutter…«
»Vertrau uns«, sagte Rockenheim und fing die Zügel der grauen Stute auf, die Ni’lahn ihm zuwarf. »Nirgends kann es so schlimm sein wie angesichts der Bedrohung, die jetzt und hier auf uns zukommt.«
Mogwied zögerte. Seine Augen suchten den Wald ab, als ob sie nach einem Fluchtweg Ausschau hielten. Wie ein erschrecktes Reh, dachte Rockenheim.
Ni’lahn richtete das Wort an den Mann, wobei sie ihren Ärmel seinem Griff entzog. »Du hast mit der Sache nichts zu tun, Mogwied. Sie suchen uns. Wenn du fliehst, werden sie dich vermutlich nicht verfolgen.«
Während Ni’lahn sich auf den Rücken des Hengstes schwang, schweiften Mogwieds Augen weiterhin durch den dunklen Wald. Angst funkelte in diesen seltsamen bernsteinfarbenen Augen.
Wieder sprach Ni’lahn. »Ich weiß nicht, wer du bist, Mogwied. Du stammst aus den Westlichen Marken, genau wie ich.
Aber du bist kein Mensch. Deine geschlitzten Augen verraten, was deine Zunge verschweigt. Du bist ein Si’lura!«
Rockenheim wäre an ihren Worten beinahe erstickt. »Ein Gestaltwandler!« Er wich von dem Mann zurück. Das war also das Geheimnis des Fremden. Er bestieg eilends ebenfalls sein Reittier, da er so schnell wie möglich einem so berüchtigten Geschöpf entrinnen wollte.
Und wieder sprach Ni’lahn. »Si’lura, für dich ist es ein Leichtes, dich hier zu verstecken. Verwandle dich einfach in ein Tier des Waldes und verschwinde. Du hast mit diesem Kampf nichts zu tun.«
»Nein«, sagte der Mann mit wild blickenden Augen. »Du kennst mich nicht. Ich kann mich nicht verwandeln! Ich bin in dieser Gestalt gefangen.«
Seine Worte überraschten Ni’lahn. Sie hielt im Sattel inne und zog die Augenbrauen hoch. Das Schlagen der Flügel wurde lauter. Sie streckte die Hand zu dem Gestaltwandler aus. »Dann komm mit uns oder flieh allein! Wir können nicht warten.«
Mogwied trat einen Schritt zurück, dann blieb er stehen. Genau in dem Augenblick, da Ni’lahn ihren Arm zurückziehen wollte, sprang er vor und ergriff ihre Hand. Sie zog ihn mit Schwung hinter sich aufs Pferd.
Ni’lahn trieb ihr Pferd mit den Fersen zu einem schnellen Galopp an und preschte als Erste davon. Einen Moment lang erwog Rockenheim, in die andere Richtung zu flüchten, um seine Freiheit wiederzugewinnen. Er lauschte auf das Schlagen der Flügel in der kalten Luft und erschauderte. Er gab seinem Pferd ebenfalls die Sporen, um den anderen zu folgen. Den Schergen des Herrn der Dunklen Mächte in die Hände zu fallen, nachdem es ihm nicht gelungen war, das Mädchen gefangen zu nehmen, wäre die reine Torheit gewesen.
Er preschte hinter Ni’lahn her. Er brauchte das verfluchte Mädchen!
Rockenheim betrachtete den Rücken des Mannes, der hinter Ni’lahn saß. Sein anfängliches Entsetzen über den Si’lura hatte sich abgeschwächt. Was war zu befürchten von einem Gestaltwandler,
Weitere Kostenlose Bücher