Alasea 01 - Das Buch des Feuers
werden unssere Pflicht tun«, sagte das Skal’tum, das neben Ni’lahn stand.
»Und tu du die deine, kleiner Mann«, fügte das zweite Ungeheuer hinzu.
Rockenheim neigte zustimmend den Kopf und verbarg ein triumphierendes Lächeln. Dann hakte er sich bei dem Gestaltwandler ein und geleitete den verdutzten Mann zum dunklen Eingang des Tunnels.
Von hinten rief ihnen das Skal’tum mit den blutigen Klauen zu: »Wenn du unss betrügsst, sso glaube nicht, nur weil du ein Werk dess Meissterss bisst, wir würden dir nicht die Glieder aussreißen und unss an deinen Augen gütlich tun.«
Bei diesen Worten zuckten Rockenheims Schultern bis in den Nacken. Er verstand nicht, was das Geschöpf mit ›ein Werk des Meisters‹ meinte, doch in Anbetracht dessen, wie leicht er sie hinters Licht hatte führen können, konnte er sich gut vorstellen, welch irrige Gedanken ihre fremdartigen Gehirne erfüllten. Er schob Mogwied durch den Vorhang aus Wurzeln ins Innere des Tunnels.
Dann drehte er sich noch einmal zu den Skal’ten um. »Vertraut mir«, sagte er laut zu ihnen. Danach richtete er den Blick auf Ni’lahn, wandte ihn aber schnell wieder ab. Verrat war eine Mahlzeit, die man am besten kalt servierte. Dennoch pochte sein Herz stoßartig. Anscheinend erinnerte er sich an eine Frau, die ihn einst mit dem gleichen Ausdruck von Verletztheit und Wut angeschaut hatte. Aber wer war das nur? Er zwängte sich zwischen den Wurzeln hindurch und folgte Mogwied über den Teppich aus Blättern und Moder, der sich am Eingang in den Tunnel gebildet hatte. Und wann? Das Bild der Frau aus seiner Vergangenheit schob sich vor sein inneres Auge - sogar den Geruch, Hyazinthen, und die Sonnenstrahlen auf dem goldenen Haar nahm er wahr -, doch wie das Flattern von Schmetterlingen zerstob die Erinnerung. Er schüttelte den Kopf; wahrscheinlich nur irgendeine Hure, mit der er das Bett geteilt hatte. Aber im Herzen wusste er, dass es anders war.
Mogwied räusperte sich, um Rockenheims Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Die Augen des Gestaltwandlers waren weit aufgerissen und funkelten. »Wohin gehen wir jetzt?«
Rockenheim runzelte die Stirn und streckte deutend die Hand aus. »So weit weg von diesen Ungeheuern wie nur möglich.«
Mogwied rührte sich nicht, bis Rockenheim ihn weiterschob. Der Gestaltwandler murmelte: »Aber… aber bis jetzt ist noch niemand jemals zurückgekehrt, der diesen Weg gegangen ist.«
Tol’chuk kletterte unbeholfen die letzten Gesteinsbrocken hinab, um zum Boden der Schlucht zu gelangen. Er blickte hinauf zu der Stelle, wo Kral immer noch auf einem gefährlich wackelnden Granitbrocken um festen Halt kämpfte. Tol’chuk hatte den leuchtenden Stein Kral gegeben, damit der Gebirgler seinen Weg beim Abstieg besser beleuchten konnte, doch die Elementarmagik in dem Stein war inzwischen zu einem fahlen Abglanz ihrer früheren Pracht verblasst. Da durch den Stein dauernd eine Hand beansprucht war, bedeutete er eher eine Last als eine Hilfe auf Krals Weg an der geröllbedeckten Wand der Schlucht hinunter. Doch Kral hielt sich daran fest wie ein ertrinkender Og’er an einem Baumstamm.
»Mehr nach links!« rief Tol’chuk. »Da ist der Abstieg zwar steiler, aber es gibt mehr Simse und Spalten, die dir Halt für Füße und Klauen bieten.«
»Ich habe keine Klauen«, brummte Kral, befolgte jedoch den Rat und schwenkte zur anderen Seite der Geröllhalde hinüber.
Tol’chuk wartete. Ihm blieb nichts anderes übrig. Er beobachtete das Vorankommen des Gebirglers. Kral war ein geübter Kletterer wie wohl alle Bewohner der Berge, die oberhalb der Schneegrenze der Zahnberge überleben wollten. Selbst mit den für seine Gattung charakteristischen schwachen Augen und der Last des Steins in einer Hand bewältigte Kral das letzte Stück der dunklen Klippe mit erstaunlicher Schnelligkeit und Geschicklichkeit.
Dennoch war sein Abstieg für Tol’chuks Geschmack nicht schnell genug. Der Og’er verlagerte sein Gewicht ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. Sich nach so großer Anstrengung in Geduld üben zu müssen fiel ihm schwer. Seine Rückenmuskeln schmerzten, und eine aufgerissene Kralle an seiner rechten Klaue pochte vor Schmerz. Selbst seine Beine - zwei Stämme aus Muskeln, Sehnen und Knochen - zitterten nun, da er sich plötzlich nicht mehr bewegte. Aber am schlimmsten war der starke Drang in seiner Seele, die Verfolgung Ferndals fortzusetzen. Seit die Bilder des Wolfbruders sich in seinem Schädel geformt hatten,
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