Alasea 01 - Das Buch des Feuers
immer schon ein Dickschädel!«
Bevor Er’ril etwas erwidern konnte, drehte sich der Alte blitzschnell zu den Kobolden um. Er sprach in klackenden und zischenden Lauten mit ihnen. Einer der Kobolde in seiner unmittelbaren Nähe schoss davon. Re’alto sprach, den Rücken Er’ril zugewandt. »Ihr Gefühl für Magik ist sehr stark. Deshalb haben sie mich gefunden. Licht macht ihnen Angst, aber die Magik zieht sie an. Sie halten mich für einen Gott.«
Tiefer im Innern des Tunnels war ein Tumult zu hören. Ein Kobold schob sich zwischen den anderen hindurch. Seine Hände waren ineinander verschränkt und mit etwas Schwerem beladen; sein Schwanz peitschte aufgeregt hin und her, als er vor den Alten trat. Mit gesenktem Kopf bot er ihm dar, was er in den Krallenhänden hielt. Re’alto nahm das Geschenk mit einem Zischen und einem Schnauben entgegen.
Der Kobold schlurfte von dannen, und Re’alto wandte sich wieder Er’ril zu. »Sie hatten keine Mühe herauszufinden, wo du den Schlüssel versteckt hattest. Der Junge hat im Traum zu mir gesprochen, und ich habe sie losgeschickt, um ihn zu holen. Wir wussten, dass du zurückkämst, um den Schlüssel zu holen; deshalb haben wir einfach gewartet. Als mich die Nachricht von deiner Ankunft erreichte, trug ich dem kleinen Kobold auf, den Schlüssel als Köder zu benutzen, um dich hier herunter zu locken.«
»Warum hast du mich nicht selbst geholt und uns diese Verfolgungsjagd erspart?«
Der Alte runzelte die Stirn und verdrehte das Auge. »Ich darf die Reichweite des Lichtes nicht verlassen. Das wäre gefährlich für mich.« Er hielt Er’ril den Schlüssel hin. »Ich habe lange genug gewartet. Vollende die Statue.«
Er’ril sah den Schlüssel an. Er hatte so viel aufs Spiel gesetzt, um ihn wiederzuerlangen, doch nun zögerte er. Das Stück Metall, geschmolzen aus dem Eisen, das aus dem Blut von tausenden Magikern destilliert worden war, glänzte leuchtend rot im silbernen Licht. Er’ril betrachtete es und wusste, was er zu tun hatte.
Der Schlüssel war in die Form einer Faust geschmiedet - der Faust eines kleinen Jungen.
Er’ril übergab das Schwert an Bol, der ihn fragend ansah. Mit zitternder Hand nahm Er’ril den Schlüssel entgegen; beinahe wäre die Eisenfaust seinen gefühllosen Fingern entglitten. Er umklammerte sie fester, und seine Faust spannte sich um die kleinere Faust. Er trat zu der Statue.
»Nur du kannst es tun, Er’ril«, sagte der Alte. »Durch deine Hand ist er gestorben.«
Er’ril hielt die Faust dicht über das leere Handgelenk der Statue. Sie passte hervorragend. Als er den Schlüssel losließ, haftete die Faust an der richtigen Stelle. Er trat zurück. Nun, da die Statue vollendet war, hatte sich ihre Aussage verändert. Der Junge, der zuvor klagend ausgesehen hatte, mit hoch erhobener Faust einen gleichgültigen Himmel anflehend, wirkte nun trotzig, herausfordernd. Das Gesicht erstrahlte im Bewusstsein ernster Verantwortung, die Faust war in zorniger Entschlossenheit erhoben.
Es war nun nicht mehr ein Junge, der da kniete, sondern ein Mann.
Während Er’ril ihn mit Tränen in den Augen betrachtete, drehte sich das kristallene Gesicht zu ihm um und sah ihn an; ihre Blicke trafen sich.
Hinter ihm stieß Elena einen überraschten Schrei aus, und Bol entwich ein rasselndes Keuchen. Doch Er’rils Ohren vernahmen nur die gemurmelten Worte seines ehemaligen Schuldirektors, dessen Stimme zwischen leidenschaftlicher Erregung und Irrsinn schwankte. »Nur du konntest das vollbringen, Er’ril von Standi. Durch deine Hand ist er gestorben. Nur die deine konnte ihm die seine zurückgeben.«
31
Mogwied drückte sich an die Steinwand des Tunnels, während Rockenheim sich bemühte, eine Fackel zu entzünden, die notdürftig aus einem trockenen Zweig und einem Fetzen von Mogwieds Hemd hergestellt worden war. Der Si’lura fürchtete den dünnen Mann mit seinen flinken Bewegungen und den argwöhnischen Augen, doch er konnte nicht umhin, die Sprachfertigkeit des Mannes hoch zu achten - und nur wenige hatten sich jemals Mogwieds Hochachtung rühmen können.
Nicht einmal seinem eigenen Bruder mit seinem tapferen Herzen und seiner Treue hatte er mehr als ein höhnisches Grinsen geschenkt; dieser Mann jedoch verdiente es, dass er sich eingehend mit ihm beschäftigte. Nur aufgrund seiner Worte und seiner geistigen Gewandtheit hatte er die Freiheit aus den Klauen der gefiederten Ungeheuer erlangt.
Mogwied konnte von diesem Mann viel
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