Alasea 01 - Das Buch des Feuers
Wahrheit wäre. Jetzt lächelte sie über ihre Dummheit. Wie ihre Einfalt die Erwachsenen erheitert haben musste!
Nun, sie war kein Kind mehr.
Sie senkte die Hand wieder ins Wasser und errötete. Sie wusste, sie war zu alt, um sich von solchen Albernheiten mitreißen zu lassen. Heute war sie eine Frau. Alle diese Geschichten waren der Fantasie entsprungen. Magik war nichts wirklich Existierendes. Das Ganze war lediglich der Mummenschanz von Gauklern und Schurken.
In der Schule hatte sie die echte Geschichte ihres Landes gelernt. Wie fünf Jahrhunderte zuvor die Gul’gotha-Leute das Meer überquert und ihrem Land und ihrem Volk die Kultur gebracht hatten. Wie sie Verstand und Logik eingeführt hatten, um die heidnischen Rituale ihrer Vorfahren abzuschaffen. Wie ihr Volk einst Menschenopfer dargebracht und unsichtbare Geister angebetet hatte. Dann war der König von Schwarzhall gekommen, der Große Gul’gotha. Es folgte eine bewegte Zeit, in der seine Schergen ihren barbarischen Vorfahren Frieden und Wissen bescherten. Blut wurde vergossen, bevor die Hand des Friedens dargeboten wurde. Doch allmählich gewannen Wahrheit und Weisheit die Oberhand, und den listenreichen Magikern wurde das Handwerk gelegt. Ein Zeitalter der Logik und Wissenschaft begann, das mit Mythos und Barbarei Schluss machte.
Stirnrunzelnd rieb sich Elena die Gerstenseife ins Haar, da sie keine Lust mehr hatte, über trockenen Unterrichtsstoff aus der Schule nachzugrübeln. Es gab wichtigere Dinge, über die sie nachdenken musste. Was sollte sie zu dem Fest anziehen? Sollte sie die Haare hochgesteckt tragen wie eine erwachsene Frau?
Sie schob die schaumigen Locken auf den Oberkopf. Sie mochte eine solche Frisur nicht, sondern trug die Haare lieber offen, aber sie war im Begriff, eine Frau zu sein, und es wurde allmählich Zeit, dass sie aufhörte, sich wie ein kleines Mädchen zu gebärden. Seife rann ihr den Hals hinab, als sie ihr Haar auf die Schulter fallen ließ.
Und was war mit Tol’el Mankin, dem gut aussehenden Lehrling des Schmieds? Sie stellte sich sein lockiges schwarzes Haar und sein gerötetes Gesicht vor - und seine Arme! Das monatelange Arbeiten an dem Blasebalg der Schmiede hatte ihm Muskeln wachsen lassen, um die ihn andere Jungen beneideten. Würde er zu dem Fest kommen? Natürlich würde er kommen - oder doch nicht? Elena merkte, wie ihr Herz schneller schlug. Sie würde die Mutter bitten, ihr zu erlauben, die Muschelhalskette ihrer Großmutter zu tragen. Sie sähe zu ihrem grünen Kleid großartig aus!
Elena blickte auf ihren nassen Körper hinunter. Nur ein kaum wahrnehmbares Anzeichen sprossender Weiblichkeit störte die kleinen Wellen des Badewassers, die ihre Brust umspielten. Da gab es nicht viel, was in Tol’els Augen reizvoll erscheinen könnte. Andere Mädchen in ihrer Klasse murmelten bereits etwas über Unterkleider und die Zartheit blühenden Wachstums. Elena griff sich an die Brust und drückte fest. Nichts. Nicht einmal ein Hauch jenes Schmerzes, über den die anderen Mädchen flüsterten.
Vielleicht wäre es am besten, wenn Tol’el doch nicht zum Fest erscheinen würde, vielleicht wäre es sogar am besten, wenn es überhaupt abgesagt würde. Wer sollte denn glauben, dass sie eine Frau war?
Elena zitterte plötzlich, als ein auf Abwege geratener Luftzug über ihren unbedeckten Rücken wehte. Das Badewasser wurde schnell kalt. Elena ließ sich bis zur Schulter hineingleiten, da das lauwarme Wasser immer noch angenehmer war als die kalte Badekammer. Warum konnte das Badewasser nicht ein bisschen länger warm bleiben? Wut durchzuckte sie. Waren ihr nicht wenigstens ein paar weitere Augenblicke der dampfenden Wonne vergönnt? Sie sank noch tiefer in das Wasser.
Während sie so dalag, stellte sie sich vor, sie würde in den heißen Quellen von Col’toka baden. Sie hatte in einem Schulbuch darüber gelesen: vulkanische Quellen tief in den schneebedeckten Zahnbergen. Während sie von dem mineralreichen Wasser träumte, hatte sie das Gefühl, als ob sich das Seifenwasser in ihrer Wanne durch diese Gedanken erwärmte. Sie seufzte, ein Lächeln umspielte ihre Lippen. Das war ein angenehmes Gefühl.
Während sie sich immer noch im Badewasser zurücklehnte und sich im Geist die von Dampf erstickten Kammern von Col’toka vorstellte, wärmte sich ihr Badewasser immer mehr auf, anfangs wohlig, dann wurde es unglaublich heiß! Elenas Augenlider flatterten.
Ihre Haut rötete sich vor Hitze. Sie sprang im Wasser auf
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