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Alasea 01 - Das Buch des Feuers

Alasea 01 - Das Buch des Feuers

Titel: Alasea 01 - Das Buch des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Buch des Feuers
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Hunger.
    Geduld, meine Kleinen, übermittelte er ihnen im Geist. Bald werdet ihr ein Festmahl genießen.
    Zufrieden mit ihrem Vorankommen, erhob sich Dismarum und stolperte über Rockenheim, tastete mit seiner gesunden Hand, suchte seinen toten Führer, wobei seine schwachen Augen ihm in der Dunkelheit keine große Hilfe waren. Seine Finger legten sich auf Rockenheims erstarrtes Gesicht. Dismarum spuckte neben dem Toten aus und zog sein Messer aus der Scheide. Er klemmte den Griff in die Beuge seines Armstumpfes, dann schnitt er sich mit der Klinge in den Finger. Ohne auf den Schmerz zu achten, schob er das Messer wieder in die Scheide und wandte sich Rockenheim zu. Er benutzte den blutenden Finger und bestrich Rockenheims Lippen mit Blut, wie ein Leichenbestatter, der einen Leichnam zur Besichtigung herrichtet.
    Nachdem dies vollbracht war, beugte sich Dismarum vor und küsste Rockenheims blutige Lippen; er schmeckte Salz und Eisen. Er atmete zwischen den kalten, geteilten Lippen aus, blies Rockenheims Wangen auf, dann führte er die Lippen zum Ohr des Toten. »Meister, ich bitte Euch, erhört meinen Ruf«, flüsterte er in das kalte Ohr.
    Dismarum lehnte sich zurück, wartete, lauschte. Da geschah es: Die Luft um ihn herum wurde eiskalt, er spürte eine bösartige, eisige Präsenz. Ein Rauschen wie das des Windes in trockenen Zweigen entströmte den toten Lippen. Dann tröpfelten Worte aus Rockenheims schwarzer Kehle.
    »Sie ist hier?«
    »Ja«, antwortete Dismarum mit geschlossenen Augen.
    »Sprich!« Das Wort hallte dumpf wie aus einem tiefen Brunnenschacht.
    »Sie ist herangereift, mit der Kraft des Blutes gezeichnet. Ich rieche es.«
    »Geh zu ihr! Mach sie dingfest!«
    »Natürlich, mein Gebieter. Ich habe die Mol’grati bereits losgeschickt.«
    »Ich werde ein Skal’tum aussenden, damit es dir hilft.«
    Dismarum erschauderte. »Das wird nicht nötig sein. Ich kann…«
    »Es ist bereits unterwegs. Bereite dich darauf vor.«
    »Wie Ihr befehlt, Meister«, sagte Dismarum, doch er spürte bereits das Zurückweichen der Präsenz. Der winterliche Obsthain wirkte schwül-warm im Schweif seines Entschwindens. Dennoch zog sich Dismarum den Umhang fröstelnd um die Schultern. Es war Zeit zu gehen. Die Mol’grati sollten eigentlich schon in Stellung sein.
    Dismarum senkte die Hand zu Rockenheims Bauch und tauchte sie in die gallertartige Wunde; klumpiges Blut drückte sich zwischen seinen Fingern hindurch. Er feixte und entblößte die vier Zähne, die noch in seinem schwarzen Zahnfleisch faulten.
    Er kniete neben dem Kadaver nieder, packte Hände voll Erde und stopfte diese eilends in Rockenheims Wunde. Nachdem er dreizehn Hände voll hineingefüllt hatte, benutzte Dismarum die unversehrte Hand und den Armstumpf, um die Ränder von Rockenheims Wunde zusammenzuziehen.
    Während er die klammen Ränder festhielt, flüsterte er die Worte, die ihm von seinem toten Meister beigebracht worden waren. Schmerz entstand in seinem eigenen Bauch, während er den Text rezitierte. Die letzten Worte brachte er unter Todesqualen hervor, als ob er ein Gebärender wäre. Er wand sich in fast unerträglichem Schmerz, während ihm die letzte Silbe von der Zunge stolperte. Das alte Herz hämmerte ihm in der Brust. Mit dem letzten Wort jedoch verebbte die Qual gnädig.
    Dismarum lehnte sich zurück und fuhr mit der Hand über Rockenheims Wunde. Die Ränder waren jetzt geschlossen, verheilt. Er legte seinem toten Führer einen Finger auf die Stirn und sprach zwei Worte: »Erhebe dich!«
    Der Kadaver bäumte sich unter seinem Finger auf, Krämpfe schüttelten und hoben ihn beinahe eine Handspanne über die kalte Erde, dann sackte er wieder zu Boden. Dismarum lauschte, als ein einziger stockender Atemzug Rockenheims kalten Lippen entströmte. Nach einigen Herzschlägen kam ein zweites gurgelndes Schnaufen, dann ein drittes.
    Dismarum rappelte sich auf die Füße, mühsam mit seinem Stock kämpfend, den er fest im Griff seiner einen Faust hielt. Das klagende Muhen einer Kuh klang von einer nahen Weide herüber. Er stand still da, während sich Rockenheim keuchend und prustend in diese Welt zurückmühte.
    Nach längerem abgehacktem Husten richtete sich Rockenheim zum Sitzen auf. Er hob eine zitternde Hand zum Bauch und zog sich das zerrissene Hemd über die entblößten Rippen. »Was… was ist geschehen?«
    »Ein weiterer Ohnmachtszauber«, antwortete Dismarum; seine Aufmerksamkeit war auf den fernen dunklen Hof gerichtet.
    Rockenheim

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