Alasea 01 - Das Buch des Feuers
Gestalten auf der anderen Seite des Hofes hinüber. Der mit der Kapuze, der seinen Stock wie eine Krücke benutzte, hinkte über den gespenstischen Hof, anscheinend ohne jede Spur von Angst vor den abscheulichen Wesen, die unter der Erde lauerten.
Dann blieb er stehen und hob das Gesicht zu Elenas Fenster. Zitternd sprang sie von der Öffnung zurück, plötzlich voller Entsetzen vor diesen Augen, die starr auf sie gerichtet waren. Die feinen Härchen in ihrem Nacken kitzelten bei dem Gespür von Gefahr.
Sie musste ihre Eltern warnen!
Elena rannte zu ihrer Schlafzimmertür und stieß sie auf.
Ihr Bruder war bereits im Flur. Joach rieb sich die verschlafenen Augen, er war nur mit Unterwäsche bekleidet. Er deutete auf den Hof. »Hast du das verfluchte Schreien gehört?«
»Ich muss Vater Bescheid sagen!« Sie packte ihren älteren Bruder am Arm und zog ihn zur Treppe, die ins Erdgeschoss hinunterführte.
»Warum denn?« fragte er widerwillig. »Ich bin sicher, sie haben es auch gehört. Das ist nur der alte Nadelschwanz, der sich mit einem Fuchs streitet. Er kann es mit zehn Füchsen aufnehmen. Ihm geschieht schon nichts.«
»Er ist tot.«
»Wie bitte? Was ist geschehen?«
»Da war etwas Böses. Ich… ich weiß es nicht.«
Elena zog Joach weiter die Treppe hinunter, voller Angst, ihren Bruder loszulassen; sie brauchte seine Berührung, um den Aufschrei in ihrer Brust zu unterdrücken. Sie rannte die Stufen hinunter und durch die Wohnstube zum Schlafraum ihrer Eltern. Im Haus herrschten Dunkelheit und Stille, die Luft war schwer wie vor einem Sommergewitter. Panik wogte in Elena auf, das Herz pochte ihr laut in den Ohren. Sie schob Joach zum Tisch. »Zünde eine Laterne an! Beeil dich!«
Er lief zur Zunderbüchse und befolgte ihren Befehl.
Sie hastete zur Schlafzimmertür ihrer Eltern. Gewöhnlich hätte sie vor dem Eintreten angeklopft, aber jetzt blieb keine Zeit für gutes Benehmen. Sie stürmte in dem Augenblick in den Raum, als Joach den geölten Docht entzündete. Licht schien auf und warf ihren Schatten auf das Bett ihrer Eltern.
Ihre Mutter, die schon immer den leichteren Schlaf gehabt hatte, wachte sofort auf, die Augen vor Schreck weit aufgerissen. »Elena! Mein Liebling, was ist?«
Ihr Vater stemmte sich auf einen Ellenbogen hoch und blinzelte verschlafen ins Licht der Laterne. Er räusperte sich und sah sich verstört um.
Elena deutete zur Hintertür. »Da kommt jemand. Ich habe sie im Hof gesehen.«
Ihr Vater setzte sich aufrecht im Bett auf. »Wer?«
Die Mutter legte dem Vater eine Hand auf den Arm. »Bruxton, nimm nicht gleich das Schlimmste an. Vielleicht ist es jemand, der sich verirrt hat oder Hilfe braucht.«
Elena schüttelte den Kopf. »Nein, nein, sie führen Böses gegen uns im Schilde.«
»Woher willst du das wissen, Mädchen?« fragte der Vater und warf die Bettdecke zurück. Nur mit seiner wollenen Winterwäsche bekleidet, kletterte er aus dem Bett.
Joach trat in die Türöffnung, die Laterne in der Hand. »Sie sagt, Nadelschwanz ist tot.«
Tränen quollen Elena aus den Augen. »Es sind irgendwelche… Wesen. Schreckliche Geschöpfe.«
»Hör zu, Elena«, sagte ihr Vater streng. »Bist du sicher, dass du nicht nur geträumt hast?«
Plötzlich war von der Hintertür her lautes Klopfen zu hören.
Sofort erstarrten alle, dann sprach ihre Mutter. »Bruxton?«
»Hab keine Angst, Liebe«, wandte sich der Vater an die Mutter. »Ich bin sicher, es ist genau so, wie du gesagt hast. Jemand hat sich verirrt.« Doch die beschwichtigenden Worte ihres Vaters passten nicht zu seiner tief gefurchten Stirn. Er schlüpfte schnell in seine Hose.
Ihre Mutter glitt aus dem Bett und zog sich ein Kleid über. Sie durchquerte den Raum und umfing Elena mit einem Arm. »Dein Vater wird sich um die Sache kümmern.«
Joach folgte seinem Vater mit der Laterne, als dieser die Wohnstube durchquerte. Elena, die in einigem Abstand mit ihrer Mutter folgte, bemerkte, wie ihr Vater die Axt an sich nahm, die sie sonst dazu benutzten, Holzstämme zu Brennholz zu zerkleinern. Elena drückte sich fester an ihre Mutter.
Ihr Vater ging durch die Küche und näherte sich der Hintertür; Joach war neben ihm. Elena und ihre Mutter blieben beim Herd stehen.
Ihr Vater hielt die Axt mit einer Hand und brüllte durch die Eichentür hinaus: »Wer ist da?«
Die Stimme, die ihm antwortete, war hoch und gebieterisch. Irgendwie wusste Elena, dass es nicht die Gestalt mit der Kapuze war, die da sprach, sondern der
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