Alasea 01 - Das Buch des Feuers
sah Elena, dass der Mantel von einem teuren Schneider stammte; ein solches Kleidungsstück war bestimmt nicht im Dorf gekauft worden. Er rieb sich den dünnen braunen Schnauzbart unter der schmalen Nase, dann antwortete er ihrem Vater: »Wir kommen in Sachen einer strafbaren Handlung. Eine deiner Töchter wird beschuldigt… nun, eine üble Tat begangen zu haben.«
»Und welche strafbare Handlung soll das sein?«
Der Sprecher warf einen Blick über die Schulter zurück und scharrte mit den Füßen, als ob er Unterstützung brauchte. Die zweite Gestalt erschien jetzt in der Türöffnung. Elena sah, wie ihr Vater einen Schritt zurückwich. Das Licht der Laterne zeigte eine Gestalt in einem tiefschwarzen Umhang mit einer dunklen Kapuze. Ein Stab steckte in der Erde daneben. Mit einer skelettartigen Hand hielt der Träger des Umhangs den Rand der Kapuze zwischen seinem Gesicht und dem Licht der Laterne fest, als blende ihn die Helligkeit. Seine Stimme kreischte vor Wut. »Wir suchen ein Kind« - er hielt die knochige Hand hoch - »mit einer blutbefleckten Hand.«
Der Mutter entfuhr ein scharfes Keuchen, das sie schnell abwürgte, doch das Gesicht des Alten wandte sich ihr zu, sodass das Laternenlicht jetzt in die Kapuze fiel. Elena unterdrückte ebenfalls ein entsetztes Japsen, als sich diese Augen ihrer Mutter zuwandten - es waren tote Augen, wie die trüben Augäpfel tot geborener Kälber, milchig weiß.
»Wir wissen nicht, wovon du redest«, sagte der Vater.
Der Kapuzenmann nahm seinen Stab wieder an sich und wich in den dunklen Hof zurück.
Nun sprach der Jüngere wieder. »Wir wollen nicht deine ganze Familie behelligen. Komm heraus, damit wir unter uns reden und diese Angelegenheit möglichst ohne großes Aufheben regeln können.« Er deutete eine Verbeugung an und streckte die Hand zum Innenhof des bäuerlichen Anwesens aus. »Komm, es ist schon spät, und wir alle können etwas Schlaf gebrauchen.«
Elena beobachtete, wie ihr Vater einen Schritt zur Tür hin machte, und wusste, was ihn im Hof erwarten würde. Sie erinnerte sich, wie Nadelschwanz von den Ungeheuern, die unter der Erde lauerten, zerrissen worden war. Sie sprang auf und wollte in die Küche laufen, doch Joach packte sie mit der Faust am Nachthemd und riss sie zurück.
»Was hast du vor?« zischte er ihr zu.
»Lass mich los!« Sie wollte sich Joach entwinden, aber er war viel stärker. »Ich muss Vater warnen.«
»Er hat uns befohlen, uns versteckt zu halten.«
Sie sah, wie ihr Vater zur Türöffnung trat. Oh, bei allen Göttern, nein! Sie riss sich aus Joachs Griff los und rannte zur Küche. Joach folgte ihr. Die drei Erwachsenen wandten sich ihr zu, als sie ins Licht der Laterne stürmte.
»Warte!« rief sie. Ihr Vater war an der Schwelle stehen geblieben, sein Gesicht rötete sich vor Zorn.
»Ich habe euch doch gesagt…«
Der jüngere der beiden Eindringlinge packte den Vater an der Schulter und schob ihn beiseite. Elena stieß einen lauten Schrei aus, als der Vater schwankte und die drei Stufen zu der festgetretenen Erde hinunterstürzte. Die Mutter griff den Mann mit einem Küchenmesser in der erhobenen Faust an. Aber ihre Mutter war zu alt und der Mann zu schnell; er umfasste das Handgelenk der Mutter und drehte es gewaltsam um.
Joach brüllte vor Wut, doch der Mann feixte und schob die Mutter durch die Tür; sie landete als zerknittertes Bündel neben dem Vater. Joach, aus dessen Mund Speichel flog, stürzte sich auf den Eindringling. Der Mann zückte eine Keule aus einer Innentasche seines Mantels und versetzte Joach einen Schlag seitlich gegen den Kopf. Der Bruder brach krachend auf dem Holzboden zusammen.
Elena erstarrte, als der Blick des Mannes sich auf sie richtete. Sie sah, wie seine Augen zu ihrer rechten Hand wanderten, die rot gefleckt war. Dann wurden seine Augen groß.
»Es ist wahr!« rief er aus und trat einen Schritt durch die Tür zurück. Er blickte hinaus zu dem Kapuzenmann, der im Hof geblieben war. »Sie ist hier!«
Ihr Vater hatte sich inzwischen wieder aufgerappelt. Er beugte sich beschützend über seine Frau, während diese sich den linken Arm rieb und sich auf die Knie aufrichtete. »Rührt meine Tochter nicht an!« fauchte der Vater die Eindringlinge an.
Joach, dessen Stirn blutete, rollte sich auf die Füße und stand leicht schwankend zwischen Elena und der Tür.
Der Alte humpelte zu ihren Eltern. »Eure Tochter oder euer Leben«, quietschte er, und seine Stimme zischelte wie Schlangen in der
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