Alasea 01 - Das Buch des Feuers
habe gesehen, wie jede Menge Münzen in deine Schale gefallen sind. Du unterschlägst mir einen Teil.«
»Ich versichere dir, du hast deinen gerechten Anteil bekommen.« Der Gaukler blickte dem Wirt scharf in die Augen.
Der Dicke schlurfte mit einem mürrischen Gebrummel davon und scheuchte eine Schankmagd aus dem Weg, bevor er seinen Platz weiter unten an der Theke wieder einnahm. Eine andere Schankmagd, ein hübsches Mädchen mit dicken blonden Zöpfen, schob ein Glas mit Bier vor ihn hin, während der Gastwirt ihnen den Rücken zugekehrt hatte. »Zum Wohl«, flüsterte sie ihm mit einem angedeuteten Lächeln und niedergeschlagenen Wimpern zu. »Das soll das Feuer in dir bis später kühlen.« Sie ging weiter zum nächsten Kunden und warf ihm noch einen kurzen Blick über die Schulter zu.
Ja, sein Pferd würde heute Nacht gewiss allein schlafen.
Er nahm sein Glas mit kaltem Bier und drehte sich um, um sich an die Theke zu lehnen und zuzusehen, wie der nächste Darsteller die Bühne betrat. Die Anwesenden waren inzwischen ziemlich betrunken, und der Junge, der nach seiner Darbietung die Stufen zur Bühne hinaufstieg, tat ihm Leid.
Junge war nicht das richtige Wort, erkannte er, als sich die Person erhob, nachdem sie die Geldschale an der Bühnenrampe abgestellt hatte. Sie war klein, und die graue Hose und das schlichte weiße Hemd trugen wenig zur Hervorhebung ihrer weiblichen Körpermerkmale bei - der wenigen, die überhaupt vorhanden waren. Anfangs hatte er den Eindruck, dass sie kaum über ihre erste Blutung hinaus sein konnte, eine schmächtige Kindfrau, doch als sie auf dem Hocker saß und sich der Menge zuwandte, wusste er, dass er sich getäuscht hatte. Das Gesicht mit dem samtweichen Teint und den Lippen wie Rosenknospen wurde von dem Blick der veilchenblauen Augen Lügen gestraft: eine Traurigkeit und ein Liebreiz, die nur auf der Erfahrung vieler schwerer Jahre beruhen konnten.
Die Menge schenkte ihr natürlich keine Beachtung, als sie eine Laute aus einer Stofftasche hervorzog. An den Tischen unter ihr herrschte derbes Treiben, Wein wurde bestellt, Freunde wurden geneckt, Gläser wurden angestoßen, gelegentlich lachte jemand blökend. Der Rauch von Pfeifen und Fackeln hing dick in der Luft. Sie wirkte wie ein Blütenblatt in einem tobenden Sturm.
Der Gaukler seufzte. Das würde kein angenehmer Anblick werden. Er hatte schon häufig gesehen, dass andere Schausteller mit schmutzigen Servietten und Brotkrusten von der Bühne vertrieben worden waren.
Doch die schmächtige Frau hob sich die Laute an den Bauch und beugte sich über das Instrument wie eine Mutter über ihr Kind. Das Holz der Laute war mit einer dicken Lackschicht überzogen, sodass sie im Schein der Fackeln beinahe nass aussah. Es war Holz vom dunkelsten Rot, das er jemals gesehen hatte, beinahe schwarz, und die Maserung des Holzes wirkte wie winzige, spiralförmige Wirbel auf der Oberfläche. Dies war ein teures Instrument, nicht dafür gemacht, um damit durch üble Spelunken zu ziehen.
Die Menge schenkte ihr immer noch keine Beachtung. Er hörte, wie ein Streit darüber ausbrach, wer den Most-Wettbewerb beim hiesigen Jahrmarkt nächsten Monat gewinnen würde. Fäuste wurden geschwungen, und eine Nase wurde gebrochen, bevor man die Streithähne voneinander trennte - alles nur wegen Most. Nun ja, er hatte im Lauf seiner Reisen schon viele Streitereien über die lächerlichsten Dinge erlebt, die schlimmer geendet hatten als mit einer aufgeplatzten Lippe und einer blutigen, gebrochenen Nase.
Er nippte an seinem Bier, ließ es die Kehle hinunterrinnen. Er gestattete seinen Augenlidern, sich halbwegs zu senken, als die Frau auf der Bühne ihren ersten Akkord anschlug. Aus irgendeinem Grund schien die Musik mitten durch das Geschnatter zu schneiden und sich im Ohr festzusetzen wie ein nistender Vogel. Sie wiederholte den Akkord, und die Menge verstummte allmählich; die Stimme der Laute zog die Blicke zurück zur Bühne.
Auch er riss die Augen weit auf. Die Bardin hob den Blick; sie sah nicht in die Menge, sondern in eine unbekannte Ferne, an einen anderen Ort als diesen. Er beobachtete, wie eine Hand sich leicht über den Hals des Instrumentes bewegte und die Fingerspitzen der anderen Hand die Saiten niederhielten. Der neue Akkord war eine Schwester des ersten. Er hallte durch den Raum, als ob er nach jenen ersten Tönen suchte. Die Menge verfiel in Stillschweigen, als ob sie Angst hätte, bei dieser Suche zu stören.
Nachdem alle von
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