Alasea 01 - Das Buch des Feuers
diesen Kampf als Sieger überstehen würde. Die einzige offene Frage blieb die, ob Mogwied entkommen konnte, während der Schnüffler seinen Hunger an Ferndals Leiche stillte. Mogwied hielt Ausschau nach einem Fluchtweg, um ungesehen unter dem Felsvorsprung wegzuhuschen.
Plötzlich, ohne Vorwarnung, wie auf Geheiß des Instinkts, stürzten sich beide Kämpfer aufeinander. Das Schnappen von Kiefern und wütendes Knurren drangen aus dem Durcheinander von schwarzem Fell und Haut, die die Farbe von Blutergüssen aufwies. Krallen und Zähne schlitzten Fleisch auf.
Mogwied versuchte, seinem Unterstand zu entkommen, doch als er sich dem Rand des Vorsprungs näherte, huschte er gleich wieder zurück, da die Kämpfer in unmittelbarer Nähe herumtobten. Nun, da die Kämpfenden so nahe waren, sah Mogwied Blutklumpen, die Ferndals Fell verklebten. Wie viel davon von ihm selbst stammte, war unmöglich zu erkennen. Aber es war deutlich, dass der Kampf nicht mehr lange andauern konnte.
Der Ebbe des Meeres gleich rollte die knurrende Schlacht von Mogwieds Versteck zurück und gab einen Fluchtweg frei. Mogwied verließ den Schutz des Felssimses, um davonzurennen. Der kalte Regen griff wieder mit grober Wucht seine Gesichtshaut an. Mogwied schenkte dem keine Beachtung. Er hielt den Blick auf den Kampf gerichtet und ließ den dunklen Pfad dabei nicht aus den Augen, der zwischen dem Gestein hindurchführte. Als er gerade im Begriff war, seinem Bruder den Rücken zuzukehren, fing sein Blick eine Bewegung ein.
Ein großer Stein polterte von oben herunter und krachte neben den beiden Kämpfenden zu Boden. Der laute Aufprall erschreckte die Kämpfenden. Wolf und Schnüffler hielten mitten im Kampf inne; blutige Zähne verharrten an Kehle und Bauch.
Plötzlich griff der Stein aus und packte den Schnüffler.
Es war kein Stein, sondern ein Og’er! Mogwied hechtete zurück unter den Vorsprung und kauerte sich in der dunkelsten Ecke zusammen. Ferndal wich humpelnd zurück, behindert durch einen gebrochenen Vorderlauf, der verbogen und schlaff herunterhing. Auf drei Beinen stand der Wolf Wache am Eingang zu dem Unterschlupf, um Mogwied vor dieser neuen Bedrohung zu schützen.
Aus seiner Höhle beobachtete Mogwied, wie der Schnüffler, einer der gefürchtetsten Räuber der Westlichen Marken, von den Händen des Og’ers in faserige Stücke zerfetzt wurde.
Nachdem dies getan war, wandte sich die Kreatur ihnen zu, das stumpfe Gesicht verschmiert von schwarzem Blut, die gelben Fangzähne entblößt. Rauch quoll aus seinen geweiteten Nüstern. Er blaffte Worte, die jener Sprache, die von vielen Bewohnern des Landes benutzt wurde, entfernt ähnelte: »Wer sein ihr Eindringlings?«
Tol’chuk zitterte; er kauerte zwischen den zerfetzten Überresten des Waldtieres und kämpfte gegen seine Blutlust an. Seine Klauen gierten danach, den Wolf zu zerfleischen, der in seiner Nähe stand, und aus seinem Mund tropfte Speichel. Der Geruch von Blut mit seinem Anflug von Eisen, wie frisch abgebautes Erz, kitzelte seine Gedanken. Er hatte Krieger seines Stammes von der Fer’engata sprechen hören, dem Feuer des Herzens, das während einer Schlacht lodert, und davon, wie der Geruch von Feindesblut einen Og’er in einen immer wilderen Rausch versetzen konnte, bis jede Beherrschung dahin war.
Tol’chuk spürte sein Herz in der Brust donnern, und der echte Donner, der um ihn herum dröhnte, war nur ein schwacher Nachhall seines tobenden Blutes. Blut rief nach Blut.
Er kämpfte gegen diesen Instinkt an. Denn blindes Handeln war dem Augenblick nicht angemessen. Einem solchen Pfad war er früher am Tag gefolgt, und jetzt lag Fen’chua tot in der Kammer der Geister. Seine Schultern zitterten, aber er beherrschte seinen Geist.
Seit er gesehen hatte, wie das kleine Menschenwesen unter den Felssims gekrochen war und der Wolf es bewacht hatte, sprach Tol’chuk in der allgemein gebräuchlichen Sprache, deren man sich beim Umgang mit anderen Bergrassen bediente. Tol’chuk rang mit den Worten. Die Kehle eines Og’ers war nicht für die Feinheiten der allgemeinen Sprache geschaffen. Die Og’er-Sprache bestand vor allem aus Gesten, Körperhaltung und einem gutturalen Grunzen. Dennoch musste es einen Grund dafür geben, dass die Geistpforte ihn hierher geschickt hatte. Er erinnerte sich an die Worte der Triade: Die Pforte werde ihn dorthin befördern, wo er sein musste. Das Erscheinen eines Menschen im Land seines Volkes musste irgendwie bedeutsam sein.
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