Alasea 03 - Das Buch der Rache
Herz. Als er sah, welch ein Gemetzel in seinem Namen stattgefunden hatte, schrie er hinauf zu den grausamen Himmeln und wandte den Blick für immer von der Welt des Sonnenlichts und der Felsen ab. Aber bevor er flüchtete, suchte er seine Anhänger auf den blutigen Schiffen auf und befahl ihnen, ihre grausamen Wege zu verlassen. Die De’rendi verbeugten sich vor dem Wunder, das ihm geschehen war, und baten ihn, ihm folgen zu dürfen. ›Nicht bevor ihr das Blut von euren Händen gewaschen habt‹, sagte er ihnen. ›Dient den Kindern des Drachen, die noch geboren werden. Beschützt sie gut, dann werde ich euch eines Tages nach Hause zurückholen!‹ Mit diesen Worten ging der Mann und nahm die Seedrachen mit sich.«
Kast räusperte sich. »Aber er war allein. Wie kann er der Urvater eurer Stämme sein?«
»Unser Urahn war mehr als nur ein gewöhnlicher Mensch. Er war auch ein Drache.« Meister Edyll starrte Kast in die Augen. »Und der weiße Drache war weiblich. Aus dieser Vereinigung wurden die Mer’ai geboren.«
Nun war es Saag wan, die nach Worten suchte. Mit ungläubiger Stimme stieß sie ihre Bedenken hervor. »Du willst behaupten wir stammen direkt von den Drachen ab? Wir haben uns einst mit den großen Tieren gepaart?«
»Ja, vor langer Zeit. Nun ist das nicht mehr möglich, aber noch immer sind wir und die großen Kreaturen Leibgefährten, was auf diese Zeit zurückgeht. Über viele hundert Winter hinweg fügten andere Männer und Frauen, Völker vieler Länder, ihr Blut dem unseren hinzu und vermischten sich so mit unseren Stämmen. Aber dann mussten wir vor den Horden Gul’gothas fliehen und entfernten uns für immer von der Küste.« Als er mit seiner Geschichte fertig war, warf Meister Edyll Saag wans Mutter einen bedeutungsvollen Blick zu.
Zu Saag wans Überraschung wich ihre Mutter dem Blick des Ältesten aus. Sie schien sich zu schämen. Saag wan glaubte auch einen Anflug von Schmerz und Sorge in den Augen der Mutter zu erkennen. Irgendetwas war zwischen diesen beiden Mer’ai vorgefallen. Ein weiteres Geheimnis.
Kast blickte Meister Edyll gereizt an. »Und Ihr erwartet von mir, dass ich all das glaube?«
Meister Edyll wandte sich dem Blutreiter zu. »Glaub, was du willst, aber eines ist sicher: Die Schicksale unser beider Völker
Mer’ai und De’rendi sind untrennbar miteinander verbunden.«
»Und habt Ihr etwas in der Hand, womit Ihr die Wahrheit Eurer Worte beweisen könnt?«
Noch bevor der alte Mann darauf antworten konnte, mischte sich Talon ein. »Nur staubige Überreste aus der Vergangenheit. Er misst altem Papier zu viel Bedeutung bei.«
Meister Edyll funkelte das jüngere Ratsmitglied an. Saag wan hatte die Augen des alten Mannes noch nie so feurig aufblitzen sehen. »Du verleumdest die Vergangenheit auf eigene Gefahr, Talon. Noch zu wenige Winter deines Lebens sind verstrichen, als dass du wissen könntest, wie schnell einen die Vergangenheit einholen kann, wenn man nur in die Zukunft starrt.«
Talon brummte etwas vor sich hin, doch Meister Edylls wütendem Blick wagte er nicht zu begegnen.
Kast wurde dieses Gezänks langsam müde. »Was habt Ihr also als Beweis vorzuweisen?«
Meister Edyll zog die Brauen hoch. Er nickte Kast zu. »Nun, du selbst bist mein Beweis, Kast.«
»Was meint Ihr damit?«
»Es wird Zeit, dass du erfährst, wer du wirklich bist.« Der alte Mann hob die Hand, und die Wand hinter dem Ratstisch wurde zur Seite gezogen, woraufhin ein altes Gemälde zum Vorschein kam. Es stellte einen weißhaarigen Mann dar, der auf einem großen Drachen mit Schuppen von der Farbe weißer Perlen saß.
»Das ist Drachenbruder«, benannte Meister Edyll die Gestalt. »Unser Vorvater.«
Saag wan rang nach Luft, unfähig, ihren Schrecken zu verbergen. Sie trat näher an das Gemälde heran. Ungeachtet der andersartigen Haare konnte Saag wan die vertrauten Gesichtszüge nicht leugnen. Der Mann war Kasts Zwilling selbst die Drachentätowierung am Hals des Mannes war dieselbe.
Meister Edyll ergriff das Wort. »Du bist unser wiedergeborener Urvater! Drache und Mann, noch einmal durch Magik vereint.«
»Das kann nicht sein«, murmelte Kast, die Augen starr auf das Gemälde gerichtet.
Als die Sonne am blauen Himmel den Zenit erreichte, stand Pinorr hinter dem Kielmeister der Drachensporn. Der alte Schamane wartete geduldig, bis der Anführer des Schiffes ein Besatzungsmitglied fertig ausgepeitscht hatte. Die Schreie des Matrosen wetteiferten mit dem Knallen der Peitsche. Zehn
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