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Alasea 03 - Das Buch der Rache

Alasea 03 - Das Buch der Rache

Titel: Alasea 03 - Das Buch der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clemens
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Schläge gab es üblicherweise als Bestrafung, wenn man während der Wache eingeschlafen war.
    Die anderen Seeleute gingen ihrer Beschäftigung auf dem Deck nach und taten so, als wären die Schmerzensschreie nichts anderes als das Gekreische verärgerter Möwen. Auf einem Schiff, das von einem so strengen Kielmeister geführt wurde, gehörte dieser Chor zur Routine. Pinorr beobachtete Ulster, wie er die Lederriemen der Peitsche in Salzwasser tauchte, und bemerkte ein Funkeln in den Augen des Kielmeisters, das von einem unersättlichen Hunger und einem gewissen Vergnügen zeugte. Nicht alle Kielmeister tauchten ihre Peitschen in Salz, um das Brennen der Wunden noch zu verschlimmern.
    Auf diesem Schiff war es jedoch so üblich.
    Ulster bemerkte Pinorrs Blick, als er die Peitsche vor dem letzten Hieb noch einmal eintauchte. »›Streue Salz in die Wunden das hilft, die Erinnerung wach zu halten‹«, sagte der Kielmeister und zitierte damit aus dem alten Kodex der De’rendi, als müsste er die zusätzliche Härte der Bestrafung rechtfertigen. Das gefühllose Grinsen auf den Lippen des Mannes stand jedoch im Widerspruch zu seiner Entschuldigung. In Wirklichkeit genoss Ulster es, wenn er anderen Schmerzen zufügen konnte.
    Pinorr nickte nur. Seine wahren Gefühle versteckte er hinter einem ausdruckslosen Gesicht. Es stand ihm nicht zu, die Bestrafung, die ein Kielmeister anordnete, infrage zu stellen. Außerdem hatte Ulster diesen Posten noch nicht lange inne. Pinorr hatte schon auf vielen Schiffen und unter zahllosen Kielmeistern gedient und dabei auch viele junge Meister wie Ulster kennen gelernt, die ihre Härte und Strenge zu beweisen suchten, indem sie ihre Mannschaft aufs Brutalste behandelten. Sie wollten Respekt durch Furcht erzwingen. Nur die Zeit konnte diesen jungen Männern beibringen, dass mit Angst und Schrecken der Respekt einer Mannschaft nicht zu gewinnen war. Lediglich durch Achtung und entschlossenes Handeln konnte man die Loyalität einer Schiffsbesatzung erringen.
    Doch Pinorr beschlich langsam das Gefühl, dass es mehr war als nur der Mangel an Erfahrung, was Ulster zu solchen Grausamkeiten trieb. Mit der Peitsche in der Hand zeigte der Mann sein wahres Ich. Ulster musste sich sogar einmal die Hosen zurechtrücken, um das Vergnügen zu verbergen, das er bei der Bestrafung verspürte.
    Als sich der Kielmeister kurz abwandte, um den letzten Hieb zu verabreichen, zeigte sich auf Pinorrs Gesicht für einen Moment der missbilligende Blick, den er eigentlich verbergen wollte, dann setzte er erneut einen gelassenen Gesichtsausdruck auf. Er mochte diesen jungen Meister nicht. Es war nicht nur seine Unbarmherzigkeit, die ihn störte, sondern sein ganzes Wesen. Er mochte Ulsters selbstgefälligen Gesichtsausdruck nicht und seine Angewohnheit, sich den Kriegerzopf so zu flechten, wie es eigentlich nur den Überlebenden gewaltiger Schlachten zustand.
    Ulster hatte seine Führerrolle auch nicht aufgrund seiner eigenen Verdienste erhalten, sondern nur weil die De’rendi seinem toten Vater Respekt zollen wollten. Ulsters Vater war fast zwei Jahrzehnte lang Großkielmeister der gesamten Flotte gewesen. Ihm hatten sie zu verdanken, dass die Flotte die Vormachtstellung, die sie gegenwärtig in den Untiefen besaß, überhaupt erst erreicht hatte. Während dieser ruhmreichen Zeit hatte Pinorr dem Großkielmeister an Bord der mächtigen Drachenherz als Schamane gedient. Und mehr noch als seinen Anführer hatte Pinorr Ulsters Vater als engen Freund gesehen. Sie hatten viele Triumphe und Tragödien gemeinsam durchlebt und durchgestanden. Pinorr hatte seine geliebte Ehefrau verloren und der Großkielmeister seinen ältesten Sohn durch den Wahnsinn des Meeres, und gemeinsam hatten sie auch den Sieg über die Blutigen Wichte gefeiert. Nach all dem geteilten Leid hatte Pinorr seinem Freund nichts mehr abschlagen können.
    Auf dem Totenbett der Pfeil steckte noch kerzengerade in der blutigen Brust des Mannes hatte der Großkielmeister nur zwei Dinge von seinem Volk verlangt. Erstens, noch bevor er starb, wollte er sehen, wie sein Sohn das Drachenzahnzeichen des Führertums erhielt, und zweitens verlangte er von Pinorr, dass er seinem Sohn als Schamane diente. Es wäre eine Beleidigung gewesen, ihm diese Bitte abzuschlagen. Noch bevor die Sonne an jenem Tag unterging, war Ulster zum Kielmeister auf der Drachensporn ernannt worden, und Pinorr war ihm auf das kleinere Schiff gefolgt.
    Ein Schrei der Todesqualen riss Pinorr aus

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