Alasea 03 - Das Buch der Rache
Hand.«
»Du glaubst, ein Spritzer Ziegenblut brächte die Zungen der Meuterer zum Schweigen?«
»Nein, es müsste schon etwas Wirksameres sein. Das Kind des Schamanen etwa. Ihr schiefes Gesicht und das wirre Gerede verursachen der Mannschaft schon lange Unbehagen. Mader Geel ist die Einzige, die überhaupt auf das Kind aufpassen will.« Jabib sah Ulster bedeutungsvoll an. »Niemand wird sie vermissen.«
Nach kurzem Schweigen ergriff Gylt das Wort, die brüchige Stimme enthüllte seine Angst. »Sie ist verflucht. Alle wissen es, aber niemand hat bisher gewagt, mit dem Schamanen Pinorr darüber zu sprechen. Man hört Gerüchte, dass die Kleine aus einem toten Bauch geboren wurde. Man muss nur in dieses halb versteinerte Gesicht sehen, um zu wissen, dass die Götter sie meiden.«
Jabib nickte. »Wenn du das Schiff von diesem Kind befreist, wird die Mannschaft deine Stärke erkennen und wissen, dass du die Götter ehrst. Das wird das Gerede über eine Meuterei beenden.«
»Und was wird Pinorr dazu sagen?«
Jabib lehnte sich noch näher zu Ulster hinüber und flüsterte: »Bei so einem Sturm kann durchaus einmal ein Unfall passieren.«
Kast kroch den Gang entlang. Das Schiff schaukelte unter seinen Füßen und wollte ihn zum Stolpern bringen. Barfuss hielt er jedoch das Gleichgewicht und schlich sich an den Matrosen heran, der die Tür bewachte, die zum oberen Deck führte. Während der vielen Winter, die er unter den Banditen in Port Raul und auf See verbracht hatte, hatte Kast gelernt, wie man aus dem Hinterhalt angriff. Dieses Opfer stellte allerdings keine besondere Herausforderung für ihn dar, denn der Matrose drückte das Gesicht törichterweise gegen das Guckloch in der Tür und beobachtete den ersten Ansturm des Unwetters auf das Schiff.
Draußen heulten die Winde wie gequälte Geister und übertönten Kasts Schritte hinter dem Rücken des Mannes. Ohne zu zögern, verabreichte Kast dem Mann mit der schwieligen Seite seiner Hand einen heftigen Schlag gegen den Hals. Das Opfer brach zusammen. Der Blutreiter erleichterte den Seemann um sein Schwert, eilte fünf Schritte zurück und winkte die anderen aus ihrem Versteck.
Saag wan huschte mit großen, angstvollen Augen zu Kast. Pinorr, dessen Gesicht vor Anstrengung und Furcht ganz rot war, hielt Scheschon im Arm. »Wir haben nicht viel Zeit«, meinte Pinorr. »Ihr müsst euch beeilen.«
Kast nickte. »Der Sturm ist heftig. Bleibt nah beieinander.« Er drehte sich um und öffnete die Tür zum Deck, die sofort von einem heulenden Windstoß erfasst und aufgerissen wurde. Der starke Wind drohte die vier aufs Deck zu ziehen, aber Kast konnte dem Sog des Sturms standhalten. Die kräftigen Beine und Arme gegen den Türrahmen gestemmt, bewahrte er die anderen davor, hinausgezerrt zu werden.
Hinter ihm stand Saag wan. Ihre Wange ruhte auf seiner Schulter, während sie in den Sturm blinzelte. Ihr Atem fühlte sich auf seinem Hals wie Feuer an. »Ich… ich glaube nicht, dass ich es schaffe. Der Regen… der Wind…«
»Du musst«, rief Pinorr.
Da schlug plötzlich eine haushohe Welle über die Reling, ein Monstrum aus schäumendem Wasser und starker Strömung. Sie riss ein paar festgezurrte Fässer los und nahm sie mit sich übers Deck. Kast wunderte sich, dass das Schiff so schlecht auf den Sturm vorbereitet worden war.
Er wartete, bis die Wassermassen vom Deck gespült waren und sich das Schiff wieder aufgerichtet hatte. »Jetzt!« schrie er und sprang hinaus, wobei er Saag wans Hand festhielt. Der Regen von den Winden zu stechenden Pfeilen geformt, drohte ihn ans Deck zu nageln. Kast musste Saag wan mit seinem massigen Körper beschützen, die Wut dieses Sturmes hätte die kleine Mer’ai sonst wie ein winziges Blättchen vor sich hergetrieben.
Pinorr blieb mit Scheschon im Arm in der Tür stehen. »Beeilt euch!« rief er den anderen beiden zu.
Als sie mitten auf dem Deck standen, fuhr Kast herum und zog Saag wan in seine Arme. »Ruf den Drachen«, befahl er; der Wind zog und zerrte an seinen Worten.
Saag wan erstarrte angesichts der Heftigkeit des tobenden Unwetters. Blitze spielten wie gezackte Speere um die Bäuche der schwarzen Wolken herum. Der Donner ließ die Rippen in Kasts und Saag wans Brustkorb schmerzen. »Wir können nicht fliegen in diesem…«
Da sie zögerte, zog Kast ihre Hand an seine Tätowierung.
»Ragnar’k kann es«, schrie er. »Der Drache und ich sind eins. Wir werden dich nicht enttäuschen. Vertrau mir. Vertrau dem
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