Alasea 03 - Das Buch der Rache
»Gestern Nacht hat er Flint gefragt, ob er uns begleiten darf.«
Diese Neuigkeit ließ Elena aufblicken. Obwohl sie Joach beiseite genommen und darauf bestanden hatte, dass sein Traum falsch sein musste, hatte ihr Bruder offenbar an seinem Glauben festgehalten und ließ die Angelegenheit nicht auf sich beruhen.
Er’ril machte eine Handbewegung in den Raum. »Wie du siehst, ist die Meereswind nicht gerade geräumig. Flint hat eine Hand voll gut gesinnter Matrosen angeheuert, um die Takelage des Schiffes zu bemannen. Es ist auf dem Schiff kein Platz übrig für einen Jungen, der sich um seine Schwester sorgt.«
»Das ist es nicht allein«, murmelte sie und zögerte, Joachs Vertrauen bezüglich seines Traumes zu missbrauchen.
Er’ril kniete neben ihr nieder und legte die Hand auf ihr Knie. »Was noch? Hast du Angst davor, ihn alleine zurückzulassen? Hast du ihn aufgefordert zu fragen?«
»Nein«, antwortete sie bestürzt. »Mir wäre es lieber, er würde in der Kate bleiben weit weg von mir.« Sie lächelte den Präriebewohner matt an. »Den Mitgliedern meiner Familie ergeht es für gewöhnlich nicht sehr gut in meiner Nähe.«
Er’ril drückte ihr Knie. »Dann sind wir uns also einig. Vielleicht sprichst du noch einmal mit ihm.«
Sie starrte dem Präriemann in die Augen. Sie wusste zwar, dass Joachs Traum von Tod und Verrat nicht wahr sein konnte, aber ihr Bruder glaubte noch immer daran. Sein Herz würde es ihm niemals gestatten, zurückzubleiben, und Elena wusste nicht, was sie zu ihm sagen könnte, um ihn umzustimmen und ihm die Ängste zu nehmen. »Ich habe schon versucht, es ihm auszureden«, erklärte sie müde. »Er hört mir gar nicht zu, und ich glaube nicht…«
Das Boot fing auf einer großen Welle plötzlich heftig an zu schlingern, und Elena drehte es dabei den Magen um. Es gelang ihr gerade noch rechtzeitig, die Kojenmitte zu erreichen, da ergoss sich der Mageninhalt auch schon in einem Schwall in den Nachttopf. Über den Topf gebeugt, keuchte Elena schwer. Als sich ihre Eingeweide wieder beruhigt hatten, richtete sie sich auf, rotwangig und unfähig, Er’ril in die Augen zu blicken.
Der Präriebewohner war ein wenig zurückgerutscht. »Es wird noch einige Zeit dauern, bis du wirklich einen seetüchtigen Gleichgewichtssinn hast«, tröstete er sie.
»Der Gleichgewichtssinn ist mir egal. Ich hoffe nur, dass die Süße Mutter da oben mir bald einen seetüchtigen Magen schenkt.«
»Ich werde dir ein wenig Wasser und Brotrinden bringen. Das hilft. Wir werden später über Joach sprechen.«
Er’ril wandte sich zum Gehen, aber Elena hielt ihn zurück. »Nein, Joach trägt diese Last schon zu lange mit sich herum.« Elena war all der Geheimnisse plötzlich müde. Wem sollte sie noch vertrauen? Es war Unsinn, und sie wollte diese Angelegenheit erledigt haben, bevor die Reise losging. Da ihr Magen sich nun weitgehend beruhigt hatte, wollte sie ihren Vorsatz auch wahr machen und sprach unverblümt: »Er’ril, Joach vertraut dir nicht. Er hatte einen Traum, in dem du mich verraten hast.«
Er’ril fuhr herum, um Elena ins Gesicht zu sehen, eine Mischung aus Zorn und Schmerz blitzte in seinen Augen auf. »Was? Was ist das für ein Unsinn?«
»Er glaubt, dass es ein Traumgewebe war, dass er die Zukunft vorhergesehen hat.« Elena erzählte alles, was Joach ihr am vorhergehenden Morgen anvertraut hatte.
»Er hat schwarze Magik aus dem Stab heraufbeschworen?« fragte Er’ril mit gerunzelter Stirn.
»Mit den Worten aus seinem Traum«, fügte Elena hinzu. »Jetzt weißt du, warum er vom Wahrheitsgehalt des Traumes so überzeugt ist.«
Er’ril schüttelte den Kopf. »Der Stab ist kein Glücksbringer. Ich würde niemals schwarzer Magik trauen und schon gar nicht als Beweis für irgendetwas. Selbst der fähigste Verstand kann in die Irre geführt werden von der Gier der schwarzen Künste.«
»Aber wie können wir Joach davon überzeugen?«
»Ich weiß es nicht. Ich selbst kenne mich nur wenig mit dem Traumweben aus, doch Flint und Moris sind darin bewandert. Wir müssen ihnen vom Traum deines Bruders erzählen.«
Elena zuckte zusammen. Sie hatte das Vertrauen ihres Bruders bereits missbraucht, indem sie Er’ril von seinem Traum erzählt hatte, und zögerte nun. Aber der Wahrheitsgehalt des Traumes musste geprüft werden, und zwar nicht nur durch schwarze Magik. Sie nickte also zustimmend.
»Ich werde Moris beauftragen, Joach heute Abend aufs Schiff zu holen. Dann werden wir die Sache klären«,
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