Alasea 04 - Das Buch der Prophezeiung
Zeugen ließ er die Bestie in seinem Inneren frei. Er hatte nur noch ein Ziel er wollte diesen Zwergenkönig vernichten.
Markerschütterndes Gebrüll entrang sich seiner Kehle, blutrote Krallen sprießten aus seinen Fingerspitzen. Aus seiner Haut wuchs schneeweißes Fell, und sein Gesicht verlängerte sich zu einer Schnauze mit messerscharfen Zähnen. Legion sprengte in Gestalt eines gewaltigen Schneepanthers die Kleider des Gebirglers und zerfetzte mit roher Gewalt das lederne Wams.
Mit den geschärften Sinnen der Bestie hörte er, wie Mogwied erschrocken aufkeuchte und sich hastig in Sicherheit brachte.
»Er ist ein Bösewächter«, rief Mikela und zog alle anderen zurück.
Tief im Inneren registrierte Kral, dass die Gestaltwandlerin von seiner Verwandlung nicht überrascht schien, aber dabei ließ er es vorerst bewenden und richtete die roten Augen auf seine eigentliche Beute.
Auch die Verwunderung des greisen Zwergenkönigs hielt sich in Grenzen. Ein schmales Lächeln erschien auf seinem Runzelgesicht. »Das Kätzchen möchte spielen?«
Sofort sammelte sich seine Leibgarde vor dem Thron und drang mit ihren Äxten und Schwertern von allen Seiten auf den Gebirgler ein. Doch Kral, der sich mit der Schnelligkeit und Eleganz des Panthers bewegte, war stets verschwunden, bevor ihn eine Klinge berühren konnte. Die Verteidiger sahen nur einen verschwommenen weißen Fleck vor dem schwarzen Granit.
Mit einem Blick aus dem Augenwinkel stellte er fest, dass seine Gefährten mit dem Rücken zur Wand standen. Tyrus und Mikela hatten eine Mauer aus Stahl zwischen sich und den angreifenden Zwergen errichtet, und Ferndal schloss alle Lücken, die noch in der Deckung klafften. Hinter ihnen stand Merik, von bläulicher Energie umflimmert, und beschwor unberechenbare Windstöße herauf, die alle Pfeile ablenkten. Kral knurrte anerkennend. Der Mut seiner Gefährten beeindruckte ihn, obwohl er wusste, dass sie bereits verloren waren. Die Übermacht der Zwerge war zu groß.
Er wandte sich ab, riss einem Zwerg vor sich die Kehle auf und zerfleischte einem zweiten mit der Hinterpfote den Unterleib. Durchdrungen von dunkler Magik und ausgestattet mit den natürlichen Instinkten der Waldkatze, war er nahezu unbesiegbar. Unaufhaltsam arbeitete er sich zu dem Zwergenkönig auf dem Eisthron vor. Vom Wehrtor hielt er gebührend Abstand. Er wusste, dass ihn die Schwarzsteinstatue aus dem Spiegelbild gezogen hatte und er fürchtete ihre Macht. Aber er würde sich nicht geschlagen geben, solange in der Zitadelle noch ein Zwerg am Leben war.
Aufheulend stürzte er sich auf die Gardisten vor dem Thron und durchbrach mit Zähnen und Krallen ihre Reihen. Endlich war der Weg zum König frei. Die Muskeln des Panthers spannten sich, er duckte sich zum Sprung. Nicht mehr lange, und der Familienthron wäre in seinem Besitz.
Der König indes bewegte sich nicht. Er lächelte nur und erwiderte Krals Raubtierblick mit amüsierter Gleichgültigkeit.
Krals Katzeninstinkte schlugen Alarm. Warum ergriff die Beute nicht die Flucht?
»Ich kenne dein Geheimnis, Legion«, sagte der König. »Der Namenlose hat mich vor deinen besonderen Gaben gewarnt jenen Gaben, die du soeben einsetzt, um ihn zu verraten.« Der greise Zwerg rieb sich die gichtigen Finger an den granitenen Armlehnen. »Und die es dir ermöglichen könnten, diesen Thron zurückzuerobern.«
Ein heiserer Wutschrei löste sich aus Krals Kehle. Er legte seine ganze Kraft in den Sprung aber der Zwergenkönig zuckte immer noch nicht zurück, sondern hob nur die Hand.
Kral begriff sofort, dass er einen Fehler gemacht hatte. Sein Körper wurde noch in der Luft von Krämpfen geschüttelt: Die Krallen versanken im Fleisch, das Fell verschwand, die scharfen Zähne wurden stumpf. Durch die Verwandlung aus dem Gleichgewicht gebracht, landete er zu früh. Er verfehlte sein Ziel, schlug mit der Schulter auf den Stufen vor dem Eisthron auf und brach sich das Schlüsselbein.
Atemlos kam er auf die Beine. Er war nackt und wieder ein Mensch. Der Panther war verschwunden. Er suchte in seinem Inneren nach der Bestie, aber auch da war sie nicht mehr. Er fuhr herum und sah sich von Schwertern umringt.
Ein Zwergenkrieger stand in der Mitte des Saales. In einer Hand hielt er die Axt, die Kral von sich geworfen hatte in der anderen die Hülle aus Schneepantherfell, die er von der eisernen Klinge genommen hatte. Nun grüßte er seinen König mit der blanken Waffe.
»Du brauchst das Fell, um dich zu verwandeln,
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