Alasea 04 - Das Buch der Prophezeiung
geschoren, nur vor den Ohren hingen zwei lange Locken herab. Die Augen waren so schwarz und hart wie der See in seinem Rücken. »Ich bringe euch alle über den Aii’schan, aber ihr müsst mir schwören, mir meine kleine Tochter zurückzubringen.«
Innsu erklärte: »Sein Kind ist diesmal eines der Opfer.«
Der Bootsführer wandte sich ab, doch Joach hatte den Schmerz in seinen Augen bereits bemerkt.
»Wir werden unser Möglichstes tun, um alle Kinder zu befreien«, versprach er.
»Nein!« Fess a’Kalar drehte sich mit blitzenden Augen zu ihm um. »Innsu hat mir euren Plan bereits erklärt, wie ihr euch ungesehen an die Ghule heranschleichen wollt. Und ich lasse nicht zu, dass meine kleine Mischa für euren tollkühnen Angriff den Schutzschild spielt.«
»Wir bringen die Kinder nicht in Gefahr«, beteuerte Joach. »Ihre Sicherheit ist uns oberstes Gebot. Das schwöre ich.«
»Außerdem«, fügte Innsu hinzu, »sind die Kinder ohnehin dem Tod geweiht. Wenn wir sie begleiten, erhöht sich für sie nicht das Risiko, sondern die Aussicht auf Rettung. Sobald wir den Südwall erreicht haben, sollen sie begleitet von Hant und den Wüstenkriegern die Flucht ergreifen.«
Das schien den Bootsführer nicht sonderlich zu beeindrucken.
Kesla schaltete sich ein. »Eine ganze Legion von Wüstenkriegern zieht bereits am anderen Ufer des Aii’schan entlang zum Südwall. Sobald wir in Tular eingedrungen sind, führen sie einen Ablenkungsangriff gegen die Ruine. Das wird die Ghule so sehr beschäftigen, dass sie sich um die flüchtenden Kinder nicht mehr kümmern können.«
Fess setzte die Kapuze wieder auf. »Mischa ist alles, was mir geblieben ist. Meine Frau starb vor drei Wintern. Ich kann nicht auch noch mein Kind verlieren.« Er wendete sein Malluk. »Ich kann es nicht.«
Innsu wandte sich an Joach und Kesla. »Er war als Einziger der Bootsführer überhaupt bereit, die andere Seite des Aii’schan anzusteuern. Sie liegt im Schatten des Südwalls. Niemand will mit seinem Boot so dicht an Tular heranfahren.«
Joach seufzte und trat dem Bootsführer und seinem Malluk in den Weg. »Was sollen wir denn tun?« rief er zu ihm hinauf.
Die Augen des Mannes glühten unter der Kapuze hervor. »Ich will mit euch der Karawane entgegenziehen. Wenn ihr sie in eure Gewalt gebracht habt, soll Mischa freigelassen werden, bevor ihr weiterzieht. Bei so vielen Kindern aus Dallinskrie wird man ein kleines Mädchen nicht vermissen.«
Joach ließ sich die Forderung des Mannes durch den Kopf gehen. Er warf einen Blick auf Kesla. Sie nickte kaum merklich. Joach wandte sich wieder Fess a’Kalar zu. Er hasste es, gerade jetzt unter Druck gesetzt zu werden, da so viel auf dem Spiel stand. Andererseits fand er keinen triftigen Grund, die Forderung des Mannes nicht zu erfüllen. Es war sein Kind. Und es war sein Boot.
Die stumme Bitte in den Augen des Wüstenbewohners gab den Ausschlag. »Nun gut. Wir werden deine Tochter befreien.«
Fess senkte den Kopf. Worte ein Dankgebet drangen unter der Kapuze hervor.
Joach wandte sich dem See aus schwarzem Glas zu. Die Sonne stand hoch am Himmel und ließ seine Oberfläche so grell erstrahlen, dass man sie kaum ansehen konnte. Es schien, als wäre hier die Welt zu Ende. Aber Joach wusste, dass dem nicht so war. Am anderen Ufer wartete das Basilisken Tor auf sie. Joach glaubte, seinen tödlichen Blick bis hierher zu spüren. Trotz der brütenden Hitze fröstelte er unter seinem Umgang.
»So soll es denn sein«, murmelte er vor sich hin.
Die Sonne sank dem Horizont entgegen. Greschym kauerte im Schatten des Südwalls vor einem kleinen Quecksilberteich und fuhr mit der Hand über die spiegelnde Oberfläche, um das Bild von Joach und seinen Verbündeten zu löschen. Dann zog er sich an seinem Stab in die Höhe. »So, so, mein Junge, du bist also immer noch entschlossen, den Kopf in den Rachen der Bestie zu stecken?«
Greschym überwachte Joach nun schon seit einigen Tagen und schmiedete dabei unentwegt finstere Pläne. Den Jungen zu bespitzeln war ein Kinderspiel, war er doch enger mit ihm verbunden, als irgendjemand ahnte. Mit dem Blutzauber ließ sich ganz einfach ein Fenster öffnen, durch das er Joachs Treiben verfolgen konnte das war nicht anstrengender als ein Händedruck.
»Und das ist auch gut so.« Greschym schaute am Südwall empor, der hinter ihm aufragte. Nichts lag ihm ferner, als die Macht im Inneren von Tular auf sich aufmerksam zu machen. Deshalb hatte er sich ein Versteck gesucht,
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