Alasea 04 - Das Buch der Prophezeiung
Und für diesen Schritt brauchte er Macht.
Greschym schlug die Augen auf. Die Höhle um ihn herum war verschwunden. Jetzt saß er im Sand an einem silbrig glänzenden Fluss. Langsam stand er auf. Der Himmel war so leer wie eine unbeschriebene Schiefertafel, und ringsum erstrahlte die Wüste in sanftem Licht. Greschym warf einen Blick zurück auf den Fluss. Der Südwall spiegelte sich in seiner blanken Oberfläche. Der Magiker sah sogar den kleinen Eingang seiner Höhle. Er war so nahe, dass er nur die Hand auszustrecken brauchte, um ihn zu berühren.
Lächelnd streckte Greschym den Arm über das breite Silberband. Hier rauschte die Macht vorbei wie ein reißender Strom, doch die Oberfläche war so glatt wie ein stiller Teich. Er hielt die Hand über das Spiegelbild des Südwalls und ließ sie über dem Eingang zu seiner Höhle schweben.
»Komm zu mir«, flüsterte er in der alten Wüstensprache. Als Angehöriger der Ho’fro hatte er vor langer Zeit die Traumkünste der Wüstenschamanen studiert und kannte ihre alte Sprache. Und er kannte Geheimnisse, die längst in Vergessenheit geraten waren. »Komm zu deinem Herrn.«
Aus dem Silberfluss tauchte langsam ein langes, dünnes Gebilde auf sein Stab. Sobald er in Reichweite war, schloss Greschym die Finger um das versteinerte Holz. Der silberne Fluss färbte sich für einen Augenblick schwarz und spie den Stab so heftig aus, als könne er seine Berührung nicht ertragen. Greschym wurde nach hinten geworfen und landete hart im weichen Sand, aber es gelang ihm, das kostbare Stück festzuhalten. Erleichtert drückte er den Stab an die Brust und blieb für ein paar Atemzüge liegen.
Endlich rollte er sich herum und kam auf die Beine. Eine Aufgabe hatte er sich für diese Nacht noch gestellt. Er kehrte dem Fluss den Rücken und ging mit raschen Schritten in die Wüste hinein. Dabei schickte er seine Elementarsinne aus und suchte die unendlichen Weiten nach seinem Ziel ab. Zunächst entdeckte er keine Spur davon. Doch nach so vielen Nächten als Beobachter wusste Greschym, wohin er gehen musste.
Der Junge würde heute Abend auf einem Boot das tote Glasmeer überqueren und sich deshalb nicht in die Traumwüste versetzen. Diese Chance durfte sich der Magiker nicht entgehen lassen. Meile um Meile legte er im Sand zurück. In der Ferne erhoben sich verschwommene Gestalten, Schläfer aus den gesamten Ödlanden, die sich versehentlich auf diese Ebene verirrt hatten. Greschym beachtete sie nicht er wusste, dass ihm das nur Energie entzogen hätte , sondern strebte unbeirrt dem Treffpunkt zu.
Als er näher kam, spürte er eine leichte Wellenbewegung im ständigen Druck der Wüstenkräfte, so als hätte jemand einen Stein in einen stillen Teich geworfen. Er eilte weiter.
Bald entstand vor ihm eine Gestalt, die mit untergeschlagenen Beinen und gesenktem Kopf im Sand saß. Greschym stürzte sich auf den ahnungslosen Neuankömmling und hob seinen Stab. In diesem Augenblick warf der andere einen Blick in seine Richtung. Er versuchte instinktiv, den zu befürchtenden Schlag abzuwehren, und griff nach Greschyms Waffe.
Greschym grinste wie ein Raubtier und ließ es geschehen. »Sei mir gegrüßt, Schamane Parthus.«
Das Licht der Traumwüste strahlte aus den Augen des Greises. »Wer bist du?«
Greschym brachte die Kräfte seines Stabes zum Einsatz. Sein eigener Traumkörper zerfloss und nahm die Gestalt des Schamanen an. Nun waren sie wie Spiegelbilder, mit dem Stab aus versteinertem Holz in ihrer Mitte. »Ich bin natürlich du, wer sonst?«
Parthus wollte den Stab von sich schieben und war sehr erstaunt, als es ihm nicht gelang. Der Stab hatte ihn in seiner Gewalt. Das Leuchten in seinen Augen verstärkte sich. »Du hast einen realen Gegenstand in die Traumwüste gebracht«, sagte der Schamane voller Abscheu.
»Da magst du Recht haben. Und wenn ich die verstümmelten Texte des Ghuls Asmara richtig in Erinnerung habe, können reale Gegenstände töten.« Greschym setzte seine dunkle Magik frei und entzündete das Ende seines Stabes.
Ein Bösefeuerstrahl schoss auf den Schamanen zu. Parthus wollte sich zur Seite werfen, aber er war an den Stab gefesselt und konnte nicht entkommen. Seine Gliedmaßen entzündeten sich und loderten hell im schwach leuchtenden Sand. Der Blick des Schamanen richtete sich flehentlich auf Greschym. Warum?, fragten seine Augen.
Greschym lächelte nur. Seine Vergangenheit zu vergessen, ob schändlich oder nicht, konnte tödlich sein. Aber Greschym hatte
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