Alasea 04 - Das Buch der Prophezeiung
werden.
Stumm legten sie die letzten Meilen zurück und landeten unweit der Stelle, wo sich die Gruppe versteckte, im Sand. Innsu wagte sich, den Bogen in der Hand, als Erster aus der Deckung und pfiff die anderen herbei.
Joach, Kesla und Richald kamen hinter den Felsen hervor. Betroffen sah ihnen Saag wan entgegen. Sechs. Was konnten so wenige erreichen, wo tausend Krieger gescheitert waren?
Manchmal schlüpfen die kleinsten Fische zwischen den Zähnen des Haies hindurch.
Saag wan klopfte ihrem großen Gefährten den Hals und hoffte, er möge Recht behalten.
Kesla musste ihre Niedergeschlagenheit gespürt haben. »Was ist los? Du bist viel früher zurück, als wir erwartet hatten.«
Saag wan stieg vom Rücken des Drachen, schickte seinem großen Herzen einen letzten Gruß und nahm die Hand weg. In einem Wirbel von Schuppen und Flügeln vollzog sich die Verwandlung, dann stand Kast neben ihr. Er legte den Arm um sie und drückte sie an sich.
»Es tut mir Leid«, flüsterte er ihr ins Ohr.
Sie ließ sich gegen ihn sinken, suchte Trost in seiner Wärme.
Kast wandte sich den anderen zu. »Das Wüstenheer wurde vernichtend geschlagen. Was noch übrig ist, wird gerade von Aasfressern und noch schlimmeren Bestien beseitigt.«
Innsu trat näher und reichte Kast einen Umhang. »Wie ist das möglich? Es waren tausend unserer tapfersten Krieger.«
Saag wan antwortete. »Das Böse hier ist stärker geworden. Das Blut eurer eigenen Kinder hat es genährt.« Sie schilderte genauer, was sie gesehen hatte, und sprach auch von den Haien, die vor Tular schwammen. »Es war, als hätte sich die Wüste selbst gegen die Kämpfer gewandt.«
Kesla erbleichte im Schein des Mondes. »Bleibt uns denn dann noch eine Hoffnung? Wenn die Verderbnis bereits die Wüste erfasst hat, sind wir verloren, bevor wir überhaupt angefangen haben.«
Saag wan löste sich aus Kasts Armen. »Nein! Wenn wir den Mut verlieren, gewinnt das Böse auch Macht über uns. Wir dürfen die Hoffnung nicht aufgeben.«
Joach ergriff Keslas Hand. »Saag wan hat Recht. Wir werden einen Weg finden.«
Kesla kniete reglos im Sand. Die Ruinen von Tular waren eine halbe Meile entfernt, schienen aber viel näher zu sein. Die Sandsteinruinen füllten ihr ganzes Blickfeld aus. Der Vollmond stand am Himmel, und es war fast so hell wie bei Tag.
Kesla kniff die Augen zusammen und folgte der Linie, bis zu der die Haie den Sand aufwühlten. Sie suchte schon die halbe Nacht nach einer Lücke in dem Todesring, der die gesamte Festungsmauer umgab, doch es schien aussichtslos. Sie hatten erwogen, sich von Ragnar’k auf dem Luftweg in die Stadt bringen zu lassen, aber das wäre nur der letzte Ausweg. Ein Drache, der mit mächtigen Schwingenschlägen über die Mauern flog, würde vermutlich mehr Aufmerksamkeit erregen, als ihnen lieb sein konnte.
Doch möglicherweise hatte ihnen die Wüste vor kurzem die Lösung geliefert. Innsu hatte einen einzelnen Reiter auf einem schaumbedeckten Malluk entdeckt. Die schwarze Schärpe über dem roten Wüstenumhang hatte ihn als Banditen ausgewiesen, wahrscheinlich einer von den Feiglingen, die beim Überfall auf die Karawane geflüchtet waren. Innsu hatte einen Pfeil aufgelegt, um ihn niederzuschießen, bevor er Tular warnen konnte, doch Joach war ihm in den Arm gefallen.
»Wenn er nach Tular will«, hatte er erklärt, »kann er uns vielleicht zeigen, wie man an den Haien vorbeikommt.«
Alle hatten dafür gestimmt, das Risiko einzugehen. Kesla hatte den Auftrag bekommen, den Reiter zu beobachten, und war ihm, lautlos von Schatten zu Schatten eilend, wie sie es bei den Meuchlern gelernt hatte, bis hierher gefolgt.
Jetzt kniete sie, nicht mehr als fünf Malluk Längen von dem Reiter entfernt, neben einem Felsblock. Er hatte sein Tier an der Grenze des wogenden Sandstreifens angehalten. Die Tore standen offen, aber der Weg zu ihnen war versperrt.
Der Bandit warf die Kapuze zurück. Sein schwarzes Haar war zerzaust, und auf seiner linken Wange leuchtete eine helle spinnenförmige Narbe. Nun holte er unter seinem Umhang eine geflochtene Schnur mit einem kleinen Gegenstand hervor, streifte sich die Schnur über den Kopf und hielt das Ding mit ausgestreckten Armen nach vorn. Kesla kniff die Augen noch fester zusammen, aber sie konnte nicht erkennen, was sich am Ende der Schnur befand. Sie sah nur, dass es einen fahlen grünen Lichtschein aussandte.
Der Reiter hob den Gegenstand höher. Ein Zeichen für unsichtbare Wächter? Doch Kesla sah,
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