Alasea 04 - Das Buch der Prophezeiung
schnürte ihr die Kehle zu.
»Du musst es uns sagen, sonst können wir dich nicht verstehen.«
»Es war ein Tribut … Er bestand aus Kindern.«
»Was?« keuchte Elena erschrocken.
Kesla wiegte sich hin und her. »Dreißig Kinder jeden Mond, eines für jeden Tag.«
»Süße Mutter«, murmelte Joach, der immer noch am Kamin stand, und riss endlich den Blick von den Flammen los.
»Eines Tages«, sagte Kesla, »kam eine Gruppe von Dorfältesten mit Gold und Edelsteinen zum Alkazar. Sie hatten eine Bitte. Die Gilde sollte ihnen helfen, die Bestie zu töten. Als Meister Belgan die Geschichte hörte, lehnte er natürlich ab.«
Wieder schnaubte Er’ril verächtlich. »Natürlich. Diese Meuchler sind nichts als ein Haufen Feiglinge, die sich im Dunkeln verkriechen.«
Kesla funkelte ihn zornig an. »Nein, du hast mich missverstanden. Er lehnte das Gold ab, auf die Bitte ging er ein. Von all den Schätzen behielt er nur ein Stück.«
»Und was war das?« fragte Joach.
Kesla drehte sich zu Elenas Bruder um und wies mit dem Kopf auf den Nachtglasdolch an seinem Gürtel. »Das ist eine Kostbarkeit, die alle anderen Kleinodien aufwiegt. Aber Meister Belgan wollte den Dolch nicht wegen seines Wertes. Einer der Dorfältesten war ein Schamane, und der hatte aus seinen Knochen gelesen, die Bestie könne nur mit diesem Dolch getötet werden.«
»Wieso?« fragte Joach und strich über den Dolch.
»Die Waffe war schon einmal verwendet worden um das Ungeheuer zu töten, das einst die Tyrannen von Tular beschützte. Damals hatte sie unser Volk befreit. Der Schamane glaubte, dazu wäre sie auch jetzt wieder imstande.«
»Eins verstehe ich nicht«, sagte Elena. »Warum hast du damit den weiten Weg bis hierher gemacht?«
»Der Schamane und Meister Belgan redeten einen halben Mond lang miteinander, lasen in alten Schriften und warfen die Knochen. So erfuhren sie, dass die ursprüngliche Bestie von Tular von einem undurchdringlichen Panzer geschützt war. Selbst dieser Dolch konnte ihre Haut nicht durchdringen … es sei denn …« Kesla wandte sich an Elena. »Es sei denn, man benetzte die Klinge mit dem Blut einer Hexe und zog so deren Magik in die Waffe. In jener fernen Zeit war es die Magik Svesa’kofas gewesen.«
»Der Hexe von Geist und Stein«, zischte Er’ril.
»Meiner Ahnin«, fügte Elena hinzu.
Kesla nickte. »Die Nachricht von deinem Sieg hatte sich herumgesprochen alles redete von der neuen Hexe, die unserem Land erstanden war. So schickte man mich auf schnellen Pferden durch die Bröckelberge bis zum Meer und von dort aus mit dem Schiff hierher. Meister Belgan sagte mir, wonach ich Ausschau halten sollte: nach einem Blutmal der Hexe. Ich sollte den Dolch hineinstoßen und eine Nacht lang darin stecken lassen, dann würde er ihre Magik in sich aufnehmen. Nur damit könnten wir hoffen, die Bestie von Tular zu besiegen.«
Elena erinnerte sich an den brennenden Schmerz, als ihre Magik abgeflossen war. In diesem Augenblick hatte der Dolch ihr Hexenfeuer eingesogen. Sie rieb sich die Hand am Knie. »Erzähle uns mehr von dieser Bestie.«
Kesla erschauerte. »Nur ein Mensch hat das Monster je gesehen: der Mann, der die Kinder in den Tod führt. Er hat jedem, der es hören wollte, das grässliche Ungeheuer beschrieben, das in der alten Festung lebt.« Keslas Stimme zitterte vor Angst. »Es ist der Ghul von Tular, wiedererstanden nach ewiger Zeit, zurückgekehrt, um abermals unser Land zu vernichten.«
»Der Ghul von Tular?«
Wieder wandte sich Kesla an Joach. »Das Ungeheuer, das einst die Festung Tular bewachte. Du kannst sein Abbild auf dem Griff des Dolches sehen.«
Joach zog die Waffe aus dem Gürtel und hielt sie in die Höhe. Um den Griff wand sich eine gefiederte Echse. Das schnabelförmige Maul mit den Reißzähnen war weit aufgerissen. Man hörte sie förmlich zischen. Der Basilisk, Tulars altes Wappentier.
Elena stand ruckartig auf und trat zu Er’ril. »Es muss das Wehrtor sein.«
Er nickte.
»Und die Kinder … Schwarzstein dürstet immer nach Blut.« Elena erbleichte. So viele Opfer!
Wieder ließ sich Kesla vernehmen. »Mehr weiß ich nicht. Am Strand wartet ein Boot, um mich zum Alkazar zu bringen. Meister Belgan muss den Dolch zurückbekommen.«
Elena wandte sich ihr zu. »Er soll ihn haben«, sagte sie.
Kesla richtete sich auf. »Du lässt mich frei?«
»Ja, aber ich schicke dich schneller zum Alkazar zurück, als Schiff oder Pferd dich tragen könnten. Morgen früh setzt ein Windschiff der
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