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Alaska

Titel: Alaska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Albert Michener
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und die Zahl seiner Freunde war Legion, vom gewaltigen Mammut bis zu dem schlauen Löwen, schätzte er die Seeotter ganz besonders, denn sie waren Tiere von hohem Rang, und als sich sein Leben dem Ende näherte, entwickelte er die Vorstellung - für die es keine vernünftige Rechtfertigung gab -, dass es der Seeotter war, der die Geister, die ihn durch sein so ehrenvolles wie erfülltes Leben geführt hatten, am besten repräsentierte: Sie waren es, die mich riefen, als wir noch in jenen unfruchtbaren Steppen im Osten lebten. Sie waren es, die mich in der Nacht heimsuchten, mir den Ozean ins Gedächtnis zu rufen, wo ich und mein Volk hingehören.
    Eines Morgens, als er von einer seiner nächtlichen Ausflüge auf dem Meer, seiner ewigen Mutter, heimkehrte, zwischen seinen Fetischen Platz nahm, sie aus ihren Taschen befreite, dass sie Luft zum Atmen hatten und zu ihm reden konnten, da stellte er freudig überrascht fest, dass die kleine Figur ohne Kopf aus Elfenbein, die er so liebgewonnen hatte, gar keinen Menschen darstellte, sondern einen Seeotter, der sich auf dem Rücken im Wasser treiben ließ, und in diesem Augenblick fühlte er die Einheit der Welt, die Eintracht im Geist zwischen Mammut, Wal, Vogel und Menschen, und seine Seele frohlockte.
    Man fand seinen Leichnam erst Tage später. Zwei Schwangere hatten sich auf die weite Wanderung zu seiner Hütte gemacht, um seine Hilfe zu erbitten, denn sie wollten gesunde Kinder auf die Welt bringen. Als sie vor seiner Tür standen und auf ihr Rufen keine Antwort erhielten, nahmen sie zuerst an, er sei wieder einmal draußen auf dem Meer, aber dann entdeckte eine den leeren Kajak am Strand und folgerte, dass er noch in seiner Hütte sein musste . Als die Frauen sie betraten, fanden sie ihn auf dem Boden hockend, den Oberkörper über seine Fetischsammlung gebeugt.
     
    Die Inselkette, auf die Azazruk seine Sippe geführt hatte, erhielt später die Bezeichnung Aleuten, und eine merkwürdigere und durcheinander gewürfeltere Ansammlung von Menschen als ihre Bewohner hat es selten gegeben auf der Erde. In völliger Isolierung entwickelten sie einen ganz eigenen Lebensstil. Als Seevolk stellten die Männer und Frauen ihre gesamte Existenz auf das Meer ab. Jede Gruppe blieb geschlossen unter sich auf ihrer jeweiligen Insel, es gab für sie in jener Zeit keinen Anlass , Krieg zu führen. Sicher aufgehoben in einer von wohlwollenden Geistern beherrschten Welt, führten sie ein erfülltes Leben, Leid war ihnen nicht unbekannt, denn es gab Zeiten der Hungersnöte, und wenn auf dem Meer, von dem sie abhängig waren, plötzlich ein Sturm ausbrach, gab es in vielen Familien Tote zu beklagen, Väter, Ehemänner und Söhne. Es gab keine Bäume auf den Inseln und auch keine der kleinen anziehenden Tiere, wie sie sie vom Festland her kannten, sie hatten keinerlei Verbindung mit den Eskimos im Norden noch mit den Athapasken in Zentralalaska, aber eine enge Fühlung mit dem Geist des Meeres, dem Mysterium des kleinen speienden Vulkans vor der Küste und dem Leben der Wale, Walrosse, Seehunde und Seeotter.
    Azazruk, der im Sagenschatz der Insel ehrfurchtsvoll als der Große Schamane bezeichnet wird, hinterließ zwei bedeutende Erbstücke. Für seine Ausflüge aufs Meer in den letzten Jahren seines Lebens hatte er sich einen Hut angefertigt, den aleutischen Hut, der wahrscheinlich die markanteste Kopfbedeckung der Welt ist. Er war aus Holz geschnitzt, andere verwendeten auch Fischbein, und führte vom Hinterkopf aus weit hoch, dann in einem ausladenden Schwung nach vorne, verbreitete sich dort in einer eleganten Linie und im passenden Winkel vor den Augen, so dass er wie ein Visier den Träger vor der flimmernden Sonne schützte. Schon die Form allein machte den Hut zu etwas Besonderem, denn sie war in hohem Maße künstlerisch, Azazruk hatte jedoch noch an der Stelle, wo der steil aufragende hintere Teil in den langen Bogen nach vorne überging, elegant geschwungene Federn, die Stängel getrockneter Blumen und verziertes Fischbein befestigt, die über das Visier hinausreichten. Dieser Holzhut war ein wahres Kunstwerk, vollendet in seinen Proportionen.
    Die zweite Hinterlassenschaft des Schamanen jedoch war dauerhafter. Immer wenn ihn die Kinder, die schon in Lapak auf die Welt gekommen waren, drängten, die spannenden Legenden aus dem anderen Land zu erzählen, dem Land, woher die Sippe stammte, bezeichnete er alles, die Erde, die Gletscher und den unglaublichen Tierreichtum, als das

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