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Albach und Mueller 01 - Russische Seelen

Albach und Mueller 01 - Russische Seelen

Titel: Albach und Mueller 01 - Russische Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bronnenmeyer
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Hause gekommen und hast kaum etwas gegessen. Und normalerweise trinkst du unter der Woche höchstens ein paar Gläser, aber keine ganze Flasche.«
    »Es ist nichts«, er nahm ihre linke Hand und küsste sie, »nur die Hitze!«
    »Da habe ich wohl für einen Moment vergessen, dass du Russe bist«, sagte sie ohne jeden Vorwurf. Sie wusste, dass er ihr vieles verschwieg, weil er sie schützen wollte. Auch wenn sie gar nicht wusste, vor wem, vertraute sie doch seinen guten Absichten. Er hatte ihr für seine Verhältnisse eigentlich auch schon viel zu viel anvertraut in den sechs Jahren ihrer Ehe. Sie wusste von seiner Vergangenheit beim KGB und dass er dort in Ungnade gefallen war, als das Ende der Sowjetunion gerade heraufdämmerte. Der KGB hieß kurz darauf FSB, doch die Organisation war noch dieselbe und seine Feinde waren nicht weniger mächtig als zuvor. Im Ausland jedoch konnte der Geheimdienst heute kaum noch etwas ausrichten, das war wohl auch der Grund, warum er mit ihr in dieses Land gekommen war. Sie wusste schon lange, dass er ihren Schutz brauchte und nicht umgekehrt – eine extrem erniedrigende Situation für einen russischen Mann.
    »Irgendwann werde ich dir alles erzählen«, sagte er zum fünfhundertsten Mal und lehnte seinen Hinterkopf an ihren Bauch, »dann kannst du ein Buch darüber schreiben.«
    »Ich glaube, das habe ich schon einmal gehört«, sie strich ihm durchs Haar, »und ein kleines bisschen glaube ich es dir immer noch!«
    »Das ist gut«, lächelte er traurig.
    »Ich muss noch eine Seite schreiben«, sagte sie, »der Artikel soll morgen fertig sein.«
    »Ich werde schlafen gehen«, sagte er und hob die Flasche hoch, »wenn ich damit fertig bin.«
    »Wirst du morgen wieder zum Güterbahnhof gehen?«
    »Nein. Da werde ich eine ganze Weile nicht mehr hinkönnen. Ich werde mir woanders Arbeit suchen.«
    »Das wirst du«, ihre Hände glitten von seinen Schultern und sie ging wieder ins Wohnzimmer.
    Nikolai schenkte sein Glas voll und erhob es gegen Osten. Es erschien ihm mehr als unheimlich, einer Welt nachzutrauern, die aus seinem Gewissen Giftmüll und ihn selbst zur Ruine gemacht hatte. Im Nachhinein war es eine einzige Finsternis gewesen. Eine Finsternis, die kein noch so kleines Licht duldete. Eine Flamme wie Jewgenji wurde ausgetreten und ein Funke wie er verglomm, ohne wirklich bemerkt zu werden. Wonach also sehnte er sich? Partei und Staat waren schuld an seinem Schicksal und das Volk befand sich hier, zumindest zu einem beträchtlichen Teil. Es musste eine Heimat sein, die er nie bewusst wahrgenommen hatte, ein Land, eine Maserung in seinem Blut, ein Stempel auf seiner Seele. Er musste lächeln, als ihm eine seiner Lieblingsgeschichten in den Sinn kam:
    Der Sohn eines hohen Parteibeamten hatte in der Schule Schwierigkeiten mit der Struktur des Staates. Er konnte die Unterschiede zwischen Partei, Mutterland, Gewerkschaften und Volk nicht begreifen. Sein Vater beschloss, ihm selbst Nachhilfeunterricht zu geben. Nach zwei Stunden vergeblicher Belehrungen versuchte der Vater ein praktisches Beispiel. »Ich bin die Partei«, sagte er, »deine Mutter ist das Mutterland, deine Großmutter die Gewerkschaften und du bist das Volk.« Als der Sohn danach seine Lektion noch immer nicht begriffen hatte, befahl ihm der Vater wütend, sich zur Strafe in die Zimmerecke zu stellen. Dort stand er für den Rest des Tages und wurde vom Vater vergessen. Nachts gingen die Eltern zu Bett und begannen bald darauf, es wüst zu treiben. Der Sohn schielte aus seiner Ecke auf das Scharmützel, dachte an seine Großmutter, die im Nebenzimmer schlief, und sagte: »Was für Zustände! Die Partei vergewaltigt das M utterland, die Gewerkschaften schlafen und das Volk muss leiden!«
     
    »So?«
    »Ja. Nein … etwas höher!«
    »Also weniger Haare – so etwa?«
    »Ja, aber jetzt stimmen die Augen nicht mehr … oder eigentlich mehr die Augenbrauen.«
    »Was stimmt daran nicht mehr?«
    »Die müssen jetzt gerader sein, nicht solche Bögen!«
    »O. k.«
    »Ja, so ist es besser. Aber …«
    »Was?«
    »Er hatte noch Falten auf der Stirn!«
    »Klein, groß, längs, quer, flach oder tief?«
    »Hm, eigentlich mehr mittel …«
    Renan flüchtete sich auf den Gang, wo Alfred seit zwanzig Minuten eine Zigarette rauchte. Kleins Geselle war schon seit zwei Stunden mit dem Phantombildzeichner am Computer und hatte bereits zwei fertige Bilder für gut befunden, nur um sie kurz darauf wieder zu verwerfen. Der Morgen zog sich wie

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