Albach und Mueller 01 - Russische Seelen
Schwarzwälder-Kirsch-Orgien habe ich schon mal gehört«, Renan wippte nervös mit den Füßen und bemühte sich, möglichst teilnahmslos zu wirken. Alfred rächte sich jetzt dafür, dass sie ihn mit Kleins Gesellen allein gelassen hatte. Je mehr Ungeduld sie zeigte, desto länger würde er ihr das Phantombild vorenthalten.
»Wieso Schwarzwälder-Kirsch?«, er wischte sich einen feinen Schweißfilm von der Stirn und warf die Serviette auf den leeren Teller, »Herbst hatte immer den Baumstamm, während ich meist zwischen Frankfurter Kranz und Käsekuchen geschwankt bin. Das waren noch Zeiten!«
»Früher war alles besser, drück’s mir nur rein!«
»Hey, das habe ich nicht gesagt. Es war anders, aber nicht besser, o.k.?«, Alfred befürchtete, dass sie ihn mal wieder grandios missverstehen wollte.
»Also arbeitest du lieber mit einer launischen, zickigen und ungeduldigen Nichtraucherin zusammen als mit deinem alten Polizei-Papa?«
»Selbstverständlich! Weißt du, seit wir zusammenarbeiten und du dich nicht mehr aufführst wie die Axt im Walde, habe ich mehr Abwechslung und Spaß an der Arbeit als jemals zuvor«, seine Stimme nahm einen väterlichen Ton an, »ich fühle mich auch wieder jünger. Heute bin ich froh, dass alles so gekommen ist.«
»Du vermisst also die Ruhe und Gemütlichkeit von damals nicht?«, fragte Renan provokant.
»Nö«, Alfred blickte in den tiefblauen Himmel. Renan war ziemlich schlagfertig. Da war es gar nicht so einfach, in ihren kleinen Wortgefechten nicht den Kürzeren zu ziehen. Ein sicheres Mittel zu Renans Entwaffnung hatte Alfred aber mittlerweile gefunden: Komplimente. »Früher habe ich im Dienst mehr Ruhe gebraucht, weil das Privatleben aufregender war. Erste Ehe, Kind, Scheidung, Sorgerechtsstreitereien, zweite Ehe – da brauchte ich die Arbeit, um mich zu erholen. Jetzt ist privat alles in trockenen Tüchern, da kommt mir die berufliche Abwechslung sehr recht. Ich schätze das sehr.«
»Wirklich?«, jetzt bloß nicht rot werden, dachte sie.
»Warum sollte ich lügen. Und durch unsere Unterschiede ergänzen wir uns doch fast perfekt. Ich finde, so was sollte man sich auch ab und zu einmal sagen. Ich danke dir, zumindest für die letzten zwei Jahre, Renan. Das erste davor betrachten wir mal als Aufwärmphase.«
Renan saß wie vom Donner gerührt auf ihrem Stuhl und blickte ihrem Kollegen ungläubig in die Augen. Der Gebrauch ihres Vornamens war ein untrügliches Zeichen, dass Alfred es ernst meinte, auch wenn es noch so hölzern und gespreizt klang. In der Tat hatte auch sie sich während der ganzen Zeit mehr und mehr an ihn gewöhnt, mitsamt seinen Macken, Belehrungen, dem Zynismus sowie den stinkenden Zigaretten. Auch ihr war klar, dass sie in den letzten zwei Jahren ein wahres Meisterstück der Teamentwicklung hingelegt hatten. Von zwei ständig ineinander verbissenen Gladiatoren waren sie zu einem zweiteiligen Puzzle geworden. Die Ergänzung war nahezu perfekt, die gegenseitige Herausforderung aber immer noch existent. Es gab eigentlich keine größere Befriedigung, als den anderen zu überraschen. Alfred war dies gerade mal wieder meisterhaft geglückt.
»Du machst mich fertig«, lächelte sie.
»Wieso? Unter Kollegen sollte man sich ab und zu die gegenseitige Hochachtung aussprechen. Das kostet nichts und ist der Arbeitsatmosphäre sehr zuträglich …«
»Ich danke dir auch, Alfred. Ich weiß nicht, wo ich heute ohne deine Sturheit und deinen missionarischen Eifer wäre – wahrscheinlich strafversetzt an die tschechische Grenze!«
»Oh, bitte sehr. Gern geschehen!«, er wirkte erleichtert.
»Zeigst du mir jetzt das Phantombild?«
Der Rest des Tages wurde hektisch. Der Mann auf dem Phantombild war definitiv einer der Tagelöhner vom Güterbahnhof, die sie erst am Vortag zu befragen versucht hatten.
»Das ist unfassbar«, schimpfte Renan, als sie mit Alfred in dessen Alfa durch die Hitze des Nachmittags fuhr, »wir haben ihm gegenübergestanden, ich habe ihm direkt in die Augen geschaut …«
»Immer schön am Boden bleiben, Kollegin«, mahnte er.
»Tu ich doch.«
»Allein die Tatsache, dass er vor einem Vierteljahr unentschuldigt der Arbeit ferngeblieben ist und gestern wieder am Güterbahnhof stand, reicht eigentlich noch nicht für einen begründeten Mordverdacht …«
»Und heute ist er nicht mehr da!«
»Naja …«
»Und morgen wird er auch nicht mehr da sein und übermorgen auch nicht, weil wir so blöd waren, ihn vorzuwarnen. Mein Gott,
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