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Albach und Mueller 01 - Russische Seelen

Albach und Mueller 01 - Russische Seelen

Titel: Albach und Mueller 01 - Russische Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bronnenmeyer
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weil sein Welterfolg Doktor Schiwago den Beginn des Systems und die bolschewistische Revolution als totalitär und menschenverachtend darstellte. Bei seinem Begräbnis 1960 kam es zum ersten Mal nach Stalin zu einer Art politischer Demonstration in der UdSSR.
    Die Justizvollzugsanstalt an der Fürther Straße erschien Nikolai tatsächlich wie ein Luxushotel. Man bekam drei ordentliche Mahlzeiten am Tag, konnte sich in einer Bibliothek Bücher ausleihen, durfte sich täglich eine Stunde im Hof bewegen und konnte sogar einen Fitnessraum benutzen. Dass man das Hotel nicht verlassen durfte, war eigentlich nicht so tragisch, schließlich gab es da draußen nichts Erstrebenswertes – außer Valentina. Nikolai hatte schon gehört, dass es in diesem Land Häftlinge gab, die tagsüber hinausdurften, um zu arbeiten, und nur noch zum Schlafen und Essen in die Haft zurückkehrten. Alle zwei Wochen konnten sie für ein Wochenende nach Hause. Ob sie mit verurteilten Mördern auch so großzügig waren? Auf jeden Fall war ihm vollkommen schleierhaft, wie so weichherzige Formen des Strafvollzugs noch irgendeine abschreckende Wirkung haben konnten.
    Der alte Polizist war ein gerissener Fuchs. Er gab sich den Anschein, als ob er nicht mehr zurechnungsfähig wäre, fast schon verrückt, geisteskrank. Nikolai konnte sich gut vorstellen, dass diese Methode eine große Wirkung erzielen konnte – bei neugierigen Menschen, die sich selbst zu wichtig nahmen. Leuten, die glaubten, man müsse ihnen mit Ernsthaftigkeit und Respekt begegnen und sich vielleicht sogar noch für sie und ihre Motive interessieren. Auf jeden Fall schien der Alte in seinem Leben noch nicht besonders viel mit russischen Häftlingen zu tun gehabt zu haben. Trotzdem durfte man ihn nicht unterschätzen, zwei Mal hatte sich Nikolai ein Lachen ernsthaft verkneifen müssen.
    Nein, in dieser Beziehung konnte ihm niemand etwas anhaben, seine einzige Sorge war Valentina. Würde sie sich von ihm abwenden, nachdem sie die ganze Geschichte kannte, oder würde sie zu ihm stehen, so wie Lara zu ihrem Doktor Schiwago? Wenn sie nichts mehr von ihm wissen wollte, konnten sie ihn auch gleich lebenslänglich einsperren.
     
    Er döste leicht ein und sah vor seinem geistigen Auge jene Nacht, in der er Jewgenji zum letzten Mal gesehen hatte. Am zweiten Tag seines Spontanbesuches in Bernau hatte Jewgenji ausgepackt und seinem Freund gestanden, dass er aufgeflogen war und sich auf der Flucht in den Westen befand. Nikolai meldete sich krank, requirierte einen Wartburg von der ostdeutschen Staatssicherheit und fuhr gegen Abend mit seinem Freund in Richtung Tschechoslowakei. Kurz vor der Grenze tauschten sie die Uniformen. Nikolai befand sich nun im Majorsrang und Jewgenji im Kofferraum.
    »Warum halten Sie mich auf?«, herrschte er den deutschen Grenzsoldaten am Schlagbaum auf Russisch an, »Sie sehen doch, dass ich vom KGB bin!«
    »Verzeihung, Genosse Major, aber ich muss Ihre Papiere überprüfen«, stotterte der Junge in schlechtem Russisch.
    »Ich bin Major Mylnikow«, Nikolai zückte kurz seinen KGB-Ausweis, »und ich muss auf schnellstem Wege nach Prag. Geheimsache des KGB-Direktorats in Potsdam.«
    Der Junge salutierte und die Schranke hob sich. Die tschechischen Posten schüchterte er ein, indem er sich von jedem der Kerle Namen und Dienstnummer nennen ließ. In der Nähe der Ortschaft Tachov stieg Jewgenji aus.
    »Hier ist eine Karte des Grenzgebietes«, Nikolai überreichte ihm einen Umschlag, »und etwas westdeutsches Geld. Besser, du versteckst dich noch bis morgen im Wald. Es wird bald hell.«
    »Danke, alter Freund«, Jewgenji steckte den Umschlag ein.
    »Am besten, du gehst drüben sofort zur nächsten Polizeistation.«
    »Nein«, Jewgenji schüttelte den Kopf, »das wäre gefährlich, so nahe an der Grenze. Irgendwelche Dorfpolizisten verstehen die Tragweite der Angelegenheit nicht. Die würden mich wahrscheinlich noch zurückschicken«, er lachte heiser.
    »Wohin willst du dann?«
    »Ich muss mich bis Bonn durchschlagen, zur amerikanischen oder britischen Botschaft. Ich muss als Erstes mit einem Geheimdienstoffizier sprechen.«
    »Na gut«, Nikolai gab seinem Freund noch zwei Schachteln Zigaretten.
    »Du musst mir eines versprechen«, Jewgenji packte ihn am Arm, »du musst die Westmedien verfolgen. Wenn Drugajew mich noch kriegt, wird entweder er mich töten oder ich ihn. Wenn es mich erwischt, musst du dafür sorgen, dass der Hund das bekommt, was er verdient. Du tust damit

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