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Albert Schweitzer

Albert Schweitzer

Titel: Albert Schweitzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Muenster
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Frühwerk: „Die wissenschaftliche Sprengkraft seiner 1906 publizierten Geschichte der Leben-Jesu-Forschung lag in seinem Gesamtergebnis: Jesus war … ein Mensch, der die damals vorherrschenden Endzeitvorstellungen des Judentums teilte. Als jedoch der Anbruch des erwarteten Reiches Gottes ausblieb, opferte sich Jesus im Bewusstsein der Naherwartung, dass bald nach seinem Tod dieses Reich anbrechen würde. Überwunden wurde die enttäuschte Naherwartung der Urchristen erst durch Paulus, der das Kommen des Reiches Gottes dahingehend theologisch umdeutete, dass in Christus und in der Folge durch ein Leben in Christus das Gottesreich in uns Menschen jenseits der Zeiten anbrechen kann. Schweitzer nannte seine Deutung des historischen Jesus ‚konsequente Eschatologie‘, um zum Ausdruck zu bringen, dass er Jesu gesamte Verkündigung wie auch seinen gesamten Lebensweg ganz und gar – darum ‚konsequent‘ – von dessen Erwartung des nahen Gottesreiches aus betrachtete.“
    Schweitzer war sich schmerzlich bewusst, dass er mit diesem Buch zum Unruhestifter geworden war. Seine historisch-nüchternen Erkenntnisse über das Leben Jesu waren ja durchaus eine Verunsicherung der christlichen Frömmigkeit. Doch er war zugleich überzeugt, dass wirkliche Frömmigkeit die (auch historische) Wahrheit nicht zu fürchten habe. Im Gegenteil: „Da das Wesen des Geistigen Wahrheit ist, bedeutet jede Wahrheit zuletzteinen Gewinn. Unter allen Umständen ist die Wahrheit wertvoller als die Nichtwahrheit. Dies muss auch von der geschichtlichen Wahrheit gelten. Auch wenn sie der Frömmigkeit befremdlich vorkommt und ihr zunächst Schwierigkeiten schafft, kann das Endergebnis niemals Schädigung, sondern nur Vertiefung bedeuten. Die Religion hat also keinen Grund, der Auseinandersetzung mit der historischen Wahrheit aus dem Wege gehen zu wollen.“
    In diese ohnehin schon sehr arbeitsintensive Zeit (Vikariat, Orgelstudien, Privatdozent, seit 1903 Direktor des Thomasstifts, der Ausbildungsstätte für angehende Pfarrer) fiel nun auch noch die Arbeit am zweiten großen Frühwerk, dem Buch über Johann Sebastian Bach. Schweitzer hatte Widor versprochen, die Herbstferien 1902 für einen Aufsatz über den gemeinsam verehrten Komponisten zu nutzen. Schon bald merkte Schweitzer jedoch, dass sich der Stoff zu einem Buch ausweiten würde. In den Jahren 1903 und 1904 fiel Schweitzers knapp bemessene Freizeit der oft auch nächtlichen Arbeit an diesem Buch zum Opfer. Er schrieb es in französischer Sprache. Seine Absicht war nicht, eine Biografie zu verfassen, sondern „als Musiker wollte ich zu Musikern von Bachs Musik reden. Was in den bisherigen Arbeiten viel zu kurz gekommen war, die Deutung des Wesens der Bachschen Musik und die Behandlung der Fragen der sinngemäßen Art der Wiedergabe, sollte das Hauptstückder meinigen werden“. Das französische Buch erschien 1905 und wurde ein großer Erfolg. Deshalb wurde rasch eine deutsche Übersetzung vorgesehen, die Schweitzer selbst besorgen sollte. „Als ich mich im Sommer 1906, nach Fertigstellung der Geschichte der Leben-Jesu-Forschung, an die Arbeit der deutschen Ausgabe des Bach machte, wurde ich bald gewahr, dass ich nicht imstande wäre, mich selber zu übersetzen, sondern mich, um etwas Befriedigendes zustande zu bringen, aufs Neue in den Stoff versenken müsse. So klappte ich den französischen Bach zu und entschloss mich, den deutschen neu und besser zu schaffen.“ Ergebnis der „Übersetzung“: Das deutsche Buch hatte mit 844 Seiten nahezu den doppelten Umfang der ursprünglichen französischen Ausgabe. Es erschien 1908.
    Als Nebenprodukt der Arbeit am Bach-Buch veröffentlichte Schweitzer 1906 noch eine schmale Schrift „Deutsche und französische Orgelbaukunst“, in der er sich für den Erhalt alter Orgeln gegenüber den in Mode gekommenen „Fabrikorgeln“ aussprach.
    Es mutet geradezu übermenschlich an, was Schweitzer damals geleistet hat. Dazu kam, dass er 1905 neben all den umfassenden Aufgaben noch das Studium der Medizin begonnen hatte. Doch bevor ich auf diesen Abschnitt in Schweitzers Leben eingehe, möchte ich von dem Menschen erzählen, der 1898 in sein Leben trat, seit 1902 seine engste Vertraute wurde und fortan sein Leben begleitete: Helene Bresslau, seine spätere Ehefrau.

H ELENE B RESSLAU
    Die Beziehung zwischen Helene und Albert Schweitzer, ihre 55-jährige Freundschaft und über 45 Jahre währende Ehe ist gewiss eine der ergreifendsten, schönsten und zugleich

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