Albtraum
Suche anstrengend, erschöpfend und frustrierend. Je mehr Stunden verstrichen, desto überzeugter war Kate, dass sie sich auf einer falschen Fährte befanden. Und mit jeder Minute kam John Powers ihnen näher.
Ihre Fortschritte wurden durch Emma behindert, deren Quengeligkeit im Tagesverlauf immer schlimmer wurde. Kate und Julianna trugen sie abwechselnd über die Flure. Sie wiegten sie, sangen oder lasen ihr etwas vor, nichts wirkte. Manchmal schrie sie ununterbrochen.
Als sie um zwei Uhr nachmittags Schluss machten, hatte Kate rasende Kopfschmerzen. Augen und Schultern schmerzten ihr, und zum ersten Mal, seit sie bei Luke angekommen waren, fühlte sie sich hoffnungslos.
Dieses Gefühl belastete sie offenbar nicht allein. Als sie in ihr deprimierendes Motel zurück kamen, war Julianna gedämpft und in ihre eigene Welt versunken. Luke hingegen ging unruhig hin und her. Er war frustriert und ungewöhnlich unkommunikativ, und als Kate einmal versuchte, ihn anzusprechen, fuhr er sie heftig an.
Kate beobachtete ihn noch einen Moment und wandte sich dann Emma zu. „Was ist los, meine Süße?“ Sie rieb den Saugerder Flasche über Emmas Lippen. „Komm schon, du hast den ganzen Tag kaum etwas gegessen.“
Zu ihrer Erleichterung nahm Emma den Sauger und begann zu nuckeln. Einen Moment später drehte sie jedoch den Kopf zur Seite und begann laut und heftig zu schreien.
Kate erschrak. Mit Emma stimmte etwas nicht. Das war nicht nur eine leichte Quengeligkeit aus Schlafmangel, weil sie aus ihrem Tagesrhythmus gerissen war. Kate legte ihr eine Hand an die Stirn. Die war heiß.
Luke blieb stehen. „Was ist los?“
„Ich weiß nicht. Ich denke, sie hat Temperatur.“ Kate presste die Lippen auf Emmas Stirn. „Sie ist ganz heiß.“
„Lass sehen.“ Luke kam herbei und legte ihr ebenfalls eine Hand auf die Stirn. „Sie fühlt sich ein bisschen warm an. Aber vielleicht ist sie nur hungrig oder müde?“
„Ich wollte sie füttern, aber sie nimmt die Flasche nicht. Ich mache mir Sorgen, Luke. Ich glaube, dass sie krank ist. Sie war noch nie krank.“
„Du weißt nicht, ob sie wirklich krank ist, Kate. Sie ist vielleicht nur … unruhig.“
„Nein. Diese ganze Sache war zu viel für sie. Ich hätte ihr das nie zumuten dürfen.“
„Was hättest du denn anders tun können?“ fragte er ungeduldig. „In Mandeville bleiben und warten, bis sie in ihrem Bett umgebracht wird?“
Seine unwirsche Erwiderung trieb ihr Tränen in die Augen. Sie wandte sich ab, drückte Emma an sich und hatte Mühe, nicht zu weinen.
Luke legte von hinten beide Arme um sie und presste seine Wange auf ihr Haar. „Tut mir Leid, Kate. Ich hätte das nicht sagen sollen. Es war falsch.“
„Nein, du hast ja Recht. Wir werden eben nur später sterben anstatt früher.“
Er drehte sie in seinen Armen, so dass sie sich ansahen. „Sag so etwas nicht. Wir haben …“
„Nichts, Luke. Wir haben gar nichts. Wir stehen jetzt nicht besser da als in Houston.“
„Wir wussten von Anfang an, dass es nicht leicht sein würde. Wir brauchen nur ein bisschen mehr Zeit, das ist alles.“
„Und Zeit ist genau das, was wir nicht haben.“ Sie unterdrückte ein Schluchzen. „Was wir vorhaben, ist so unmöglich wie das Finden der Nadel im Heuhaufen. Und jetzt ist Emma auch noch krank. Ich kann sie nicht weiter von einem Ort zum anderen schleppen. Das tut ihr nicht gut.“
„Sieh mich an, Kate. Wir wissen nicht mal sicher, ob John die Verbindung zwischen uns hergestellt hat. Und selbst wenn, fast niemand weiß, dass wir in Washington sind.“
„Er hat die Verbindung hergestellt, und er wird uns irgendwie finden.“ Sie entzog sich seinen Armen. Emma fing an zu weinen, und sie drückte sie an sich. „Ich spüre ihn, Luke. Er beobachtet uns, in dieser Minute. Er ist uns auf den Fersen und lacht über unsere Anstrengungen.“
„Beruhige dich, Kate.“ Er ging zu ihr und nahm ihr Gesicht zwischen beide Hände. „Ich rufe den Empfang an, sie werden wissen, welcher Arzt Bereitschaft hat.“
„Und was dann?“ fragte sie, den Tränen nahe. „Wieder das Hotel wechseln? Auf ewig weglaufen? Du weißt so gut wie ich …“
„Aufhören!“ Julianna sprang auf. „Ich kann das nicht mehr ertragen!“
Kate und Luke drehten sich erstaunt zu ihr um. Sogar Emma vergaß für einen Moment zu weinen.
„Verstehen Sie denn nicht“, sagte sie eindringlich. „Wenn wir ihn schlagen wollen, müssen wir zusammenhalten. Wir müssen zuversichtlich bleiben …“
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