Albtraum
erzählt hatte. Sie wusste selbst nicht, warum, aber irgendwie kam sie immer wieder auf das Mädchen auf der Schaukel zurück.
Wie durch ihre Gedanken herbeizitiert, entdeckte Kate beim Aufblicken ihren Nachbarn, der seinen an der Leine zerrenden Hund ausführte.
Sie beschattete ihre Augen mit einer Hand und winkte ihm mit der anderen zu. „Joe!“ rief sie. „Kommen Sie, trinken Sie einen Kaffee mit mir.“
Er winkte zurück und kam herüber. Kurz darauf saßen sie, jeder einen Kaffee vor sich, an einem Tisch auf der Veranda. Auf dem Boden stand eine Schüssel Wasser für den keuchenden Beauregard.
Sie tauschten einige Freundlichkeiten aus, dann kam Kate zur Sache. „Ich habe noch mal an die junge Frau gedacht, die Sie auf unserer Schaukel entdeckt hatten. Wissen Sie noch, wie sie aussah?“
Joe schien die Frage zu erstaunen. Er kratzte sich am Kopf. „Lassen Sie mich nachdenken. Es ist eine Weile her, und ich habe sie nicht aus der Nähe gesehen.“ Er sah Kate versonnen an. „Sie hatte Ihre Haarfarbe und Ihre Frisur. Aber sie war jünger, wie eine Collegestudentin. Und sie trug einen kurzen Rock.“ Er schnaubte verächtlich. „In einem solchen Aufzug sollte man nicht schaukeln, wenn Sie verstehen, was ich meine.“
Kate stimmte ihm zu. „Ist das alles, woran Sie sich erinnern, Joe? Gab es sonst etwas an ihrem Aussehen oder ihrem Verhalten, das Ihnen auffiel?“Er dachte einen Moment nach und schüttelte den Kopf. „Tut mir Leid, Kate. Ich wünschte, ich könnte Ihnen weiterhelfen.“
Sie plauderten noch einen Moment, dann dankte er ihr für den Kaffee und ging. Kate sah ihm nach und musste an seine Beschreibung denken.
Braunes Haar, mittellang, Pagenschnitt. Jung. Das passte auf viele Frauen in der Gegend von Mandeville. Und auch auf Emmas leibliche Mutter, laut Auskunft von Citywide.
Allmächtiger! Emmas leibliche Mutter!
Während Kate sich noch sagte, dass ihr wieder mal die Pferde durchgingen, sprang sie schon auf und eilte in ihr Büro. Sie nahm den Hörer auf und rief Ellen bei Citywide an. Sie wurde verbunden, und kurz darauf war Ellen am Apparat.
„Ellen“, begann Kate atemlos, „hier spricht Kate Ryan.“
„Kate“, erwiderte sie freundlich. „Schön, von Ihnen zu hören. Wie geht’s dem Baby?“
„Wunderbar. Sie ist sehr gewachsen. Sie würden sie nicht wieder erkennen. Gestern hat sie sich aus eigener Kraft herumgerollt und mich ganz stolz angestrahlt.“
„Bringen Sie sie gelegentlich mal vorbei. Wir würden sie gerne sehen.“ Dann änderte die Sozialarbeiterin den Tonfall und wurde geschäftsmäßig. „Vermutlich haben Sie nicht angerufen, um über Emmas Fortschritte zu plaudern, richtig?“
„Richtig.“ Kate räusperte sich nervös. Sie wusste nicht recht, wie sie anfangen sollte. Ellen sollte sie keinesfalls für paranoid halten oder annehmen, ihre Ehe sei gefährdet. Aber sie musste sich Gewissheit verschaffen, ob Emmas leibliche Mutter es sich nicht vielleicht anders überlegt hatte mit der Adoption und ihnen nachspionierte. „Ich habe mich gefragt … haben Sie vielleicht etwas von Emmas leiblicher Mutter gehört?“
„Nein. Gar nichts. Warum fragen Sie?“
„Ich möchte sie immer noch kennen lernen. Wir beide möchten das.“
„Tut mir Leid, aber sie bestand darauf, die Adoption absolut anonym ablaufen zu lassen.“
„Verstehe.“
„Ich weiß, Sie sind enttäuscht, aber haben Sie Geduld. Vielleicht ändert sie ihre Meinung.“
Kate war überzeugt, dass sie das nicht tun würde. Viel leicht sprach nur die Paranoia aus ihr, aber sie hatte das schreckliche Gefühl, diese Frau wollte sich nicht mit ihnen treffen, weil … ja warum eigentlich? Weil sie einen diabolischen Plan ausgeheckt hatte, ihr Leben zu ruinieren?
Solche Szenarien gab es bestenfalls in Hollywoodfilmen.
Obwohl Kate ihre Ahnung als Unsinn abtat, fragte sie: „Vielleicht klingt das verrückt, aber gibt es eine Möglichkeit, dass die leibliche Mutter ohne Ihr Wissen unsere Anschrift herausbekommt? Könnten unsere persönlichen Daten versehentlich in unsere Profilakte geraten sein?“
„Das ist ausgeschlossen.“ Ellen erkundigte sich vorsichtig: „Ist etwas nicht in Ordnung?“
Kate seufzte. „Es klingt unsinnig, aber ich habe dieses schreckliche Gefühl …“
„Dass Emmas leibliche Mutter ihre Meinung geändert hat und Ihnen Ihr Kind wegnehmen will.“
„Ja.“ Kate legte entsetzt und doch erleichtert eine Hand an die Brust. „Genau das ist es. Woher wissen Sie
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