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Alcatraz und die dunkle Bibliothek

Alcatraz und die dunkle Bibliothek

Titel: Alcatraz und die dunkle Bibliothek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brandon Sanderson
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gestohlen. Anfangs war mir das lächerlich vorgekommen, aber andererseits hatten mich zu dem Zeitpunkt noch viele Dinge verwirrt. Jetzt wurde mir klar, dass er recht gehabt haben musste.
    Trotzdem war es ein komisches Gefühl, jemanden aus meinem normalen Leben hier in der Bibliothek zu sehen. Ms. Fletcher war keine Freundin oder so was, aber sie war eine der wenigen Konstanten in meinem Leben. Sie hatte alle meine Umzüge betreut, von einer Pflegefamilie zur nächsten, hatte sich nach mir erkundigt, sich um mich gekümmert …
    Mich ausspioniert?
    Ms. Fletcher trug immer noch den unvorteilhaften schwarzen Rock, den strengen Dutt und die Hornbrille. Sie stand neben einem stämmigen Mann in einem eleganten schwarzen Anzug, schwarzem Hemd und roter Krawatte. Als er sich umdrehte, um etwas zu Ms. Fletcher zu sagen, sah ich, dass er eine Augenklappe trug. Vor das andere Auge hatte er sich ein rot getöntes Monokel geklemmt.
    Bastille sog zischend den Atem ein.
    »Was?«, erkundigte ich mich leise.
    »Er hat nur ein Auge. Ich glaube, das ist Radrian Blackburn. Er ist ein verdammt mächtiger Okulator, Alcatraz – man erzählt sich, dass er sich selbst ein Auge ausgestochen hat, um die Kraft, die durch das verbliebene konzentriert wird, zu erhöhen.«
    Ich runzelte die Stirn. »Blackburn, ja? Was für ein interessanter Name.«
    »Das ist ein Berg«, wusste Bastille zu berichten. »Er liegt, glaube ich, in dem Land, das ihr Alaska nennt. Die Bibliothekare haben die Berge nach sich benannt, so wie sie die Gefängnisse nach uns benannt haben.«
    »Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass es die Insel Alcatraz schon länger gibt als mich, Bastille.«
    »Du wurdest ja auch nach jemandem benannt, Alcatraz, und nicht nach der Insel«, kam es nun von Sing, der geduckt neben uns auftauchte. »Nach einem berühmten Okulator, der vor langer Zeit gelebt hat. In unserer Welt pflegen wir – genauso wie unsere Gegner übrigens auch – Namen immer wieder zu vergeben. Darin sind wir sehr traditionsbewusst.«
    Ich lehnte mich neugierig vor. Blackburn sah gar nicht so bedrohlich aus. Nun ja, seine Stimme klang ganz schön arrogant, und er wirkte ziemlich imposant in seinem stilvollen schwarzen Outfit. Aber irgendwie hatte ich etwas mehr Dramatik erwartet. Vielleicht ein Cape oder so etwas.
    Natürlich entging mir bei meinen Beobachtungen etwas Entscheidendes. Ihr werdet gleich sehen, was ich meine.
    Bastille neben mir wirkte jetzt extrem angespannt. Ich sah aus dem Augenwinkel, wie sie ihre Tasche zu sich heranzog und mit der Hand hineingriff. Das schien mir eine sehr merkwürdige Geste zu sein, da ich nicht glaubte, dass sie irgendwelche Utensilien in dieser Handtasche hatte, mit denen sie etwas gegen einen Dunklen Okulator hätte ausrichten können. Aber dann zogen die Stimmen, die von unten heraufdrangen, meine Aufmerksamkeit auf sich. Ich konnte gerade so verstehen, was Blackburn sagte.
    »… du ihn gestern Abend nicht verscheucht hättest, würden wir uns jetzt gar nicht in dieser prekären Lage befinden«, stellte der Dunkle Okulator fest.
    Ms. Fletcher verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich habe dir immerhin den Sand verschafft, Radrian. Du hast also bekommen, was du wolltest.«
    Blackburn schüttelte den Kopf. Er verschränkte die Finger hinter dem Rücken und lief langsam im Kreis, wobei seine blankpolierten Schuhe hart auf dem Steinboden aufschlugen.
    »Es war deine Aufgabe, den Jungen im Auge zu behalten, nicht einfach nur den Sand zu beschaffen. Das war nachlässig von dir, Shasta. Sehr nachlässig. Was hat dich verdammt noch mal dazu veranlasst, einen gewöhnlichen Schläger loszuschicken, um das Kind zu holen?«
    Also hat Ms. Fletcher den Killer auf mich angesetzt, dachte ich und fühlte, wie ich wütend wurde. Sie hat wirklich die ganze Zeit für die gearbeitet.
    »Das habe ich doch immer so gemacht«, rechtfertigte sich Ms. Fletcher schnippisch. »Ich schicke einen meiner Männer los, wenn der Junge zu einer anderen Pflegefamilie gebracht werden muss.«
    Blackburn wandte sich ihr zu. »Dein Handlanger hat Smedry mit einer Pistole bedroht.«
    »Das war so nicht geplant«, rechtfertigte sich Ms. Fletcher. »Er muss von irgendjemandem bestochen worden sein – wenn du mich fragst, von einer der anderen Fraktionen. Vielleicht vom Orden der Geborstenen Linse? Wir werden es zwar erst sicher wissen, wenn wir mit dem Verhör fertig sind, aber ich vermute, sie hatten Angst davor, dass es dir gelingen könnte, den Jungen zu

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