Alcatraz und die letzte Schlacht: Band 4 (German Edition)
Stoßtrupp der Bibliothekare durch einen Tunnel in die Stadt eingedrungen ist.«
KAPITEL 070706
Nicht gähnen.
Ich hätte mich nicht bereit erklären sollen, König zu werden. Wenn ihr alle Bände dieser Autobiografie gelesen habt, dann wisst ihr, dass ich aufgrund meiner frühen Kindheitserfahrungen zum Scheitern verurteilt war. Ich war berühmt. Deshalb hielt ich mich für viel bedeutender, als ich tatsächlich war, und meine Erfolge verleiteten mich dazu, mehr Verantwortung zu übernehmen, als ich hätte übernehmen sollen. All das bedeutete, dass ich wirklich tief fiel, als ich fiel.
Gähnt ihr schon? Nein? Gut. Ihr habt doch bestimmt nicht vor, die Lippen zu öffnen, die milde Luft einzusaugen und die angenehme Entspannung zu spüren, wenn ihr euch streckt und den Mund weit aufreißt. Was, ihr würdet es am liebsten doch tun? Klar, ihr lest jetzt schon eine ganze Weile und werdet allmählich etwas müde. Aber gähnt nicht. Bitte nicht. Verkneift es euch.
Die Ernennung zum König von Mokia, wenn auch nur für kurze Zeit, war der Höhepunkt meines Aufstiegs zum Ruhm. Was während dieser Belagerung geschah, war jedoch eher unrühmlich. Tatsächlich begriff ich erst lange danach, was ich getan hatte. (Als ich Mokia schließlich verließ, kehrte ich in die Länder des Schweigens zurück.)
Manche Mundtoten meinen, dass wir gähnen, um unser Gehirn mit mehr Sauerstoff zu versorgen, aber unlängst haben Forscher diese Theorie verworfen. Zu Recht. In den Freien Königreichen weiß man schon lange, dass das Gähnen Bluginats abschreckt. Ihr wisst doch, was Bluginats sind, oder? Das sind diese Viecher, die sich an Leute heranpirschen, die gerade Bücher lesen. Sie legen sich hinter ihnen auf die Lauer, beobachten sie und nähern sich ihnen heimlich, still und leise. Wenn ein Bluginat so dicht hinter euch ist, dass ihr seinen Atem im Nacken spürt, wird er euch gleich packen. Ein Gähnen würde ihn verscheuchen. Wenn ihr nur gähnen könntet…
Warum hatte ich eingewilligt, König zu werden? Ich hätte Nein sagen sollen. Aber das tat ich nicht. Ich ließ mich zum König ernennen. Ich ließ mich von Bastille überreden. Ich ließ mich auf den Thron heben.
Warum? Nun, vielleicht aus demselben Grund, aus dem ihr beim Lesen des letzten Absatzes einen starken Drang verspürt habt, zu gähnen oder sogar einen Blick über die Schulter zu werfen. Wenn man lange genug über etwas redet, beginnen die Leute darüber nachzudenken. Das ist wie eine seltsame Art von Gehirnwäsche. Bastille war eine Prinzessin. Die Smedrys waren einst eine Königsfamilie gewesen. Und ich war praktisch mit jedem Monarchen in den Freien Königreichen entfernt verwandt. Vermutlich wollte ich einfach wissen, wie es sich anfühlte, König zu sein.
(Am Ende wusste ich, dass man sich als König eigentlich nicht anders fühlt als ein ganz normaler Mensch– es wird nur öfter auf einen geschossen.)
Bastille und ich rannten durch die Stadt, in Richtung der Schreie. Mokianische Männer und Frauen ließen alles stehen und liegen und liefen zum Tunnelausgang. Ich nickte Bastille zu, als sie ihre Sonnenbrille aufsetzte. Sofort wurde sie viel schneller und hängte mich ab. In ihrem atemberaubenden Crystin-Tempo raste sie auf den Tumult zu.
Obwohl ich zurückfiel, legte ich einen ganz ordentlichen Spurt hin. In den vergangenen Monaten hatte meine Kondition sich sehr verbessert. Wenn ihr für einen Wettlauf trainieren wollt, kann ich euch das Alcatraz-Smedry-Fitnessprogramm wärmstens empfehlen. Dabei wird man von Bibliothekaren, halbmetallischen Monstern, bösen Geistern, belebten Liebesromanen, gefallenen Rittern von Crystallia und auch mal von einem bösen Huhn namens Moe gejagt. Die Erfolgsquote– also die Wahrscheinlichkeit, nach diesem Trainingsprogramm den Wettlauf zu gewinnen– beträgt 95 Prozent. Leider liegt die Überlebensrate nur bei rund 5 Prozent. Das gleicht alles irgendwie aus.
Eine Gruppe Mokianer scharte sich um mich und passte sich meiner Geschwindigkeit an. Zuerst dachte ich, die Leute wollten mit mir zum Ort des Tumults laufen, aber dafür blieben sie zu dicht bei mir. Nach einem Augenblick der Verwirrung kapierte ich, dass es sich um eine dieser Ehrengarden handelte, die Könige beschützen und Sätze sagen wie: »Wer wagt es, den König zu belästigen?« Da kam ich mir noch wichtiger vor.
Obwohl wir rannten, so schnell wir konnten, kamen wir zu spät, um mitzukämpfen. Das Loch, aus dem die Bibliothekare gekrochen waren, sah aus wie
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