Alchemie der Unsterblichkeit
flammend rotes Kleid war eindeutig zu tief ausgeschnitten. Errötend wanderte sein Blick wieder nach oben. Ein wissendes Lächeln spielte um ihre weichen Lippen. Icherios errötete noch stärker.
»So viel frisches Blut.« Ihre Finger glitten über seine hochroten Wangen.
Icherios fühlte eine Mischung aus Entsetzen und Verlangen in sich aufsteigen. Carissima schien nicht sehr an dem Wohlergehen von Menschen interessiert zu sein. Würde ihn der Tod in der Gestalt dieser wunderschönen, verführerischen Vampirin ereilen? »Euer Bruder braucht mich«, stammelte Icherios.
Carissima presste ihn mit ihrem festen, schlanken Körper an die Wand. Er konnte ihre weichen Brüste an seinem Oberkörper spüren. Der Duft von Violen und Mondscheinblumen umgab sie.
»Glaubt ihr etwa, dass ich Euch aussaugen will?« Das Mondlicht glänzte auf ihren Zähnen, als sie amüsiert lächelte. Ihr Mund strich zart über sein Ohr. »Ich möchte etwas ganz anderes von Euch.« Sanft spielte ihre Zunge mit seinem Ohrläppchen.
Icherios wollte zurückweichen, aber es gelang ihm nicht. Er saß fest zwischen Carissima und der Wand.
»Es gibt einfach keine brauchbaren Liebhaber in dieser Gegend.«
Ihre Lippen näherten sich seinen. Dann trafen sie sich in einem Kuss. In Icherios wallte Lust auf, die Angst, Müdigkeit und Schmerzen vergessen ließ. Ihre Lippen lösten sich widerstrebend voneinander. Icherios rang nach Luft. Carissimas Augen leuchteten verheißungsvoll im Dunkeln. Seine Hände glitten über ihre Schultern hinab zu ihren Hüften. Icherios’ Selbstbeherrschung schwand: Er wollte sie besitzen. Seine Männlichkeit drückte schmerzhaft gegen die Hose. Ein Stöhnen entrang sich seiner Kehle, als ihre langen, schlanken Finger seinen Gürtel öffneten und ihn umschlossen. Seine Lippen legten sich erneut auf ihre, seine Hände griffen nach ihren prallen Brüsten, und alles versank in einem wollüstigen Rausch.
Spät in der Nacht lag er erschöpft auf seinem Bett. Carissima schlang ihre blassen Beine um seinen Leib. Mit einem sehnsuchtsvollen Kuss verabschiedete sie sich von ihm. »Ich muss gehen, sonst ziehen wir zu viel Aufmerksamkeit auf uns.«
Lasziv streckte sie sich, gönnte ihm einen letzten Blick auf ihren makellosen, porzellanweißen Körper, bevor sie sich anzog. Icherios war zu müde, um aufzustehen. Zudem kehrten seine Schmerzen in Knie und Rücken zurück. Er fragte sich, ob Carissima die Tür oder das Fenster nehmen würde. Nun, da die Leidenschaft abgeklungen war, brach der Schrecken wieder über ihn ein. Nur zu gut erinnerte er sich daran, wie sie die Mauer hinuntergeklettert war. Sie glich einer Gottesanbeterin. Würde sie ihm den Kopf abbeißen, wenn sie genug von ihm hatte?
Carissima beobachtete, wie Icherios sich in seine Gedanken zurückzog. Sie lächelte wissend. So erging es allen menschlichen Männern nach der ersten Nacht. Kindel war nicht anders gewesen, bis ihr Bruder ihre kleine Liebschaft aus Mitleid mit dem jungen Mann beendet hatte. Amüsant und geschickt im Bett war Kindel zwar gewesen, aber in ihm lag eine Bitterkeit, die die Freude trübte. Icherios war hingegen erfrischend.
Sie wartete, bis leise Schritte auf der Treppe erklangen. Den Zeitpunkt hatte sie gut gewählt. Bewusst ließ sie die obersten Knöpfe ihres Kleides offen, sodass ihr Busen hinausquoll, als sie genau in dem Moment aus dem Zimmer trat, in dem Loretta von dem Besuch bei ihrer Schwester zurückkehrte. Sie warf ihr ein triumphierendes Lächeln zu, während Loretta mit verletztem Blick den Gang hinauf in ihre Kammer stürmte.
22
Vorhersagen
G
Das erste Mal seit seinem Aufbruch aus Karlsruhe erwachte Icherios mit einem wohligen Gefühl. Maleficium, der sich auf seiner Brust putzte, quiekte empört, als er sich genussvoll rekelte. Mit den Schmerzen in Knie und Rücken kehrten die Erinnerungen an den gestrigen Tag und die Nacht zurück. Wie der Wind verflüchtigte sich das Wohlbehagen und machte dem alten Gefährten Angst wieder Platz. Was hatte er sich dabei gedacht, mit Carissima zu schlafen? Als wenn seine Situation nicht schon verzwickt genug war. Was würde geschehen, sollte Sohon davon erfahren? Er musste mit Carissima reden und sicherstellen, dass sie schweigen würde. Aber wie brachte man einen Vampir zum Schweigen? Lorettas Antlitz blitzte vor seinen Augen auf. Wie sollte er ihr diese Nacht erklären? Der Gedanke mit Loretta aus Dornfelde zu verschwinden, erschien verlockender denn je. Der gestrige Tag hatte ihm jedoch
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