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Aldebaran

Aldebaran

Titel: Aldebaran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Claude Izzo
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mir welche stellen würden, würde ich Ihnen sagen, in was für einem Dreck ich stecke. Das ist wirklich wahr! Verdammt, ich hab mit meiner Mutter telefoniert. Ich hab angekündigt, dass ich komme. › Es ist vorbei, ich gehe nicht mehr fort, Mama.‹ Begreifen Sie? Jetzt wartet das ganze Dorf auf mich. Besonders meine Braut …«
    »Nedim, du hättest längst da sein können.«
    »Ja, ja – Aber ich bin nicht dort. Und was mach ich jetzt?
    Das frage ich Sie. Sie glauben doch nicht im Ernst, dass ich Ihren Saustall auf dem Deck aufräume! Nein, verdammt noch mal …« Er hatte sich die Flasche geschnappt und ihre Gläser neu gefüllt. »Hören Sie«, hatte er gedrängt und sich über die Dominosteine gebeugt, »wir können einen Trick finden. Sagen, dass ich von Arabern überfallen worden bin, irgend so was …«
    »Von Arabern?«
    »Ja, nein, Sie verstehen schon. Wer auch immer, das kommt nicht so drauf an. Sie stecken mir etwas Geld zu oder ein Zugticket und ich verschwinde. Ciao, Nedim. Das wars, verflucht, das ist doch nicht so schwer.«
    Ein Zugticket, seine hundert Dollar, drei- oder vierhundert Francs, die er Abdul Aziz aus der Nase ziehen könnte, wenn er sich als Volltrottel ausgab, und vielleicht sogar noch einmal so viel von Diamantis, wenn er sich an seiner Schulter ausweinte – damit könnte er in sein Dorf zurückkehren, ohne eine allzu jämmerliche Figur abzugeben. Er würde die Dollar seiner Mutter, Aysel, ihrem Vater und seinen Freunden zeigen. Alle Welt würde glauben, er hätte die Taschen voll. Man würde ihn ernst nehmen. Das war ein guter Plan.
    Abdul, der verrückte Spinner, war nicht darauf eingegangen. »Spiel«, hatte er nur gesagt. »Spiel und halt die Schnauze.«
     
    »Wo fahren wir hin?«, fragte er Lalla, als er sah, dass sie am Alten Hafen Richtung Quai de Rive-Neuve und Corniche fuhr.
    »Wir treffen uns mit Gaby in einer Bar. He, du bist ja nicht gerade gesprächig heute.«
    Nedim musste lachen. Kaum hielt er einmal den Mund, warf man es ihm vor. »Kann ich eine Zigarette von dir schnorren?«
    Lalla hatte die Schachtel mit dem Feuerzeug auf ihrem Schoß liegen, in der Mulde zwischen den Beinen auf dem kurzen Rock. »Bedien dich«, sagte sie.
    Seine Samenleiter reagierten prompt. Als er das Päckchen auf ihren Rock zurücklegte, konnte Nedim sich natürlich nicht beherrschen und musste ihren Oberschenkel streifen. Lalla lächelte. Der Typ war wie Wachs in ihren Händen. Sie verstand, warum Gaby ihn haben wollte.
    »Wenn Diamantis nicht da ist, bring den anderen mit, Nedim. Und hinterlass eine Nachricht für Diamantis. Damit er weiß, wo er uns findet.«
    Lalla hatte keine Fragen gestellt. Sie war bei dem Wachmann an Tor 3A aufgekreuzt, lächelnd von Kopf bis Fuß in einem Hauch von Rock und mit leicht geöffneter Bluse. Auf den Empfangsschalter gestützt, damit ihr Busen zur Geltung kam, setzte sie ihm auseinander, dass sie Diamantis, einen Seemann von der Aldebaran, zu sprechen wünschte. Dringend! »Diamantis ist Erster Offizier, kein einfacher Seemann. Er ist nicht da. An Bord ist nur ein Seemann. Der Kapitän ist schon vor einiger Zeit fortgegangen. Geht es um die Mannschaft?«
    Lalla hatte sich eine Zigarette angesteckt, während sie ihn fest ansah. Wenn sie so an ihrer Kippe zog, einen langen Zug machte, war sie unwiderstehlich. Das hatte ihr ein Kerl gesagt. Sie zweifelte nicht daran.
    »Wie heißen Sie mit Vornamen?«
    »Vincent«, antwortete er verwirrt. Seine Augen wanderten von Lallas Lippen zu ihrem Ausschnitt.
    »Gut, Vincent, kann ich Taksim sprechen? Nedim Taksim.«
    »Den Türken?«
    »Es ist dringend, Vincent. Da Diamantis nicht hier ist …«
    Er hatte die Schranke am Eingang geschlossen und sich mit einem Dienstwagen, einem R5, auf die Suche nach Nedim gemacht. »Sagen Sie, dass ich gleich zurück bin, wenn einer kommt.«
    »Keine Sorge, Vincent.« Sie hätte zehn Laster reinlassen können, um sämtliche Container im Hafen auszuräumen. Bei dem Gedanken musste sie lächeln.
    Während der Fahrt dachte Lalla an Gaby. Seit Diamantis im Habana aufgetaucht war, war sie nicht mehr dieselbe. Nervöser, zerstreuter. Abwesend. Und nachdenklich. Das war nicht Gabys Art. Sie verstand es, die Typen einzulullen und ihnen das Geld aus der Nase zu ziehen, aber kalt. Sie beherrschte ihr Handwerk. In Nedim hatte sie auf den ersten Blick das perfekte Opfer erkannt.
    Sie war einen Schritt zurückgetreten.
    »Oh, mein Gott!«, hatte sie ausgerufen.
    »Was ist?«, hatte Lalla

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