Aldebaran
sich auf und hätte fast geschrien. Vorsichtig hockte er sich auf die Bettkante. Abdul Aziz erschien.
»Was ist denn mit dir passiert?«, fragte er, als er Diamantis’ zerschundenes Gesicht sah.
»Ich bin in schlechte Gesellschaft geraten«, scherzte Diamantis.
Abdul brach in Gelächter aus. »Nedim hat gewettet, du hättest dich verpisst.«
»Nedim sieht nicht weiter als sein Schwanz reicht.« Es gelang Diamantis aufzustehen. »Ich brauch was Heißes zu trinken.«
»Tee?«
»Ja, Tee.«
»Ich mach welchen.«
Diamantis war wieder in Gedanken versunken. Der Tee tat ihm gut. Sein Magen beruhigte sich. Er sollte jetzt dorthin gehen, Amina treffen. Und Nedim und Lalla. Wie lange würde er brauchen, um zu der Bar zu gelangen? Mit dem Bus mindestens eine Stunde. Vielleicht sollte er ein Taxi nehmen. Er hatte keine klare Vorstellung, wo dieser Propheten-Strand genau lag. An der Corniche. Aber die Corniche war lang.
Abdul brach das Schweigen. »Wir müssen reden, du und ich.«
Diamantis sah auf. Er wirkte krank. Seine schwarzen Augen glänzten seltsam.
»Diamantis …«, fing Abdul an.
»Warte, Abdul. Ich weiß nicht, worüber du reden willst. Aber ich hab nicht besonders viel Zeit. Ich hab eine Verabredung. Und die ist über eine Stunde von hier entfernt.«
Abduls Gesichtsausdruck verschloss sich wieder. »Ich dachte, wir könnten miteinander reden, du und ich.«
Diamantis verlor die Nerven. Jetzt wollte er so schnell wie möglich zu Amina. Alles ans Licht bringen. Einen Strich darunter ziehen. Sich der Vergangenheit entledigen. Diese Vergangenheit, die sich in jeden Moment seines Lebens einschlich. Er wollte auf der anderen Seite leben. Den Horizont wechseln.
»Abdul, worüber willst du denn reden, verdammt noch mal!«
Abdul geriet in Panik. Er hatte ein langes Geständnis vorbereitet. Alles in seinem Kopf geordnet. Und jetzt wollte Diamantis ihm nicht zuhören. Was hatte er denn noch in der Stadt zu suchen? Was konnte er so Wichtiges zu tun haben? Wichtiger, als ihn anzuhören, ihn, der am Ende der Fahnenstange angelangt war?
»Ich …«, stammelte er, den Blick auf seinen Becher gesenkt. Er sah wieder auf. Fahr zur Hölle, Diamantis, dachte er.
»Es eilt nicht«, sagte er nur. »Wenn du zurückkommst. Aber … Nur eine Frage, Diamantis. Danach lass ich dich gehen. Warum bist du geblieben? Warum bist du nicht mit den anderen abgehauen?«
»Wenn ich das wüsste.«
»Willst du sagen, du hast keine Ahnung?«
»An dem Morgen hatte ich keine Kippen mehr. Ich bin losgegangen, um welche zu kaufen. Als ich zurückkam, war alles schon geregelt, glaube ich. Ja … Es war ein schöner Tag. Ich bin durch die Straßen gebummelt und … nun ja. Ich hatte total vergessen …«
»Mach dich nicht über mich lustig.«
»Du gehst mir auf den Wecker! Ich habe keinen Grund. Ich bin geblieben, weil ich geblieben bin. Punkt. Ist das klar genug? Oder möchtest du lieber hören, dass es mir an dem Tag scheißegal war, ob ich hier oder sonst wo war.«
»Und heute?«
»Heute nicht anders als gestern. Obwohl, heute nicht mehr ganz so. Weil ich heute die Schnauze voll hab. Von diesem verfluchten Kahn voller Kakerlaken und …«
»Kakerlaken?«
»Aber ja, mein Freund, Kakerlaken. Es wimmelt nur so davon. Sie sind in meiner Kabine und ebenso in meinem Kopf. Es ist Zeit, dass wir abzischen, du und ich.«
Abdul stand auf. »Das ist es also, Diamantis. Du willst verschwinden.«
»Ich muss noch ein paar Dinge regeln. Das habe ich vor.« Diamantis erhob sich. Vorsichtig. Den Schmerz nicht wieder aufwecken. Die Tablette, die er soeben geschluckt hatte, schien bereits Wirkung zu zeigen. »Wir reden nachher, wenn du willst.« Er sagte das milder.
»Mal sehen.« Abdul legte ihm die Hand auf den Arm. Ihre Blicke trafen sich.
»Ich will es dir sagen, Abdul. Ich bin geblieben, weil du zu blöd bist. Dass ein Kerl wie du sich von einem Kotzbrocken wie Constantin Takis reinlegen lässt, will mir einfach nicht in den Sinn.«
Abdul zog seine Hand zurück. »Darüber wollte ich mit dir reden.«
Diamantis lächelte. »Du musst es mir nicht erzählen. Das Wie und Warum geht mich nichts an. Ich pfeif drauf. Wir sind so etwas wie Freunde, glaube ich. Also vergiss es, Abdul.« Er setzte sich auf den Tisch. Aufrecht stehen war anstrengend.
»Weißt du noch, wie wir nach Guayaquil gekommen sind?«
Wie konnte er das vergessen? Ringsum wimmelte es von Piraten. Ein Dutzend Pirogen mit Motor. Etwa hundert Typen bereit zu entern.
»Für sie
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