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Aldebaran

Aldebaran

Titel: Aldebaran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Claude Izzo
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schlimmer noch, sie war nichts mehr. Nur noch ein leerer, gefühlloser Körper.
    Schmit neigte sich über sie. »Bis bald«, lächelte er.
    Sie hatte nicht die Kraft, ihm die Fäulnis ins Gesicht zu spucken, die er ihr in den Mund gezwungen hatte. Sie wünschte seinen Tod und flehte zu allen Göttern der Menschheit, dass sie sie erhören mögen. Und Schmit starb tatsächlich. Ein paar Monate später.
     
    Als ihre Mutter zurückkehrte, packte Amina ihre Reisetasche fertig, überzeugt, dass ihre Mutter nichts mehr für sie tun konnte. Sie hatte sie nicht vor der Schweinerei ihres Vaters beschützen können. Sie würde Schmit nicht davon abhalten können, wieder zu kommen. Ihr Leben lag in Trümmern. Wenn sie leben wollte, musste sie fort. Eine neue Existenz gründen. Sie würde nie vergessen, wie sie beschmutzt wurde. Sie würde die Scham nie vergessen. Aber sie glaubte an die Möglichkeit eines Lebens zwischen Schmutz und Scham. Denn jetzt hatte sie Wut im Bauch.
    Sie hatte geduscht und noch einmal geduscht. Um jede Faser ihres Körpers zu waschen, jede kleinste Falte ihrer Haut, die Schmit gestreichelt, geküsst oder auch nur berührt hatte, und schließlich sorgfältig ihr Geschlecht zu reinigen. Erst die Vagina, die sie mehrfach spülte, dann die Klitoris, die Lippen darunter. Nie hatte sie das mit so viel Aufmerksamkeit getan. Die Schamhaftigkeit der Jugend war verschwunden. Zum Schluss schob sie sich einen eingeseiften Finger in den After. Schmit hatte seinen Finger während der Vergewaltigung tief hineingegraben.
    Ihre Tasche stand reisefertig im Wohnzimmer. Ihre Mutter wich ihrem Blick aus. Sie waren nicht mehr Mutter und Tochter, sondern zwei Frauen, die nur noch ihr Unglück zu teilen hatten. Ihre Mutter drückte sie an sich. »Ich werde auch gehen«, murmelte sie.
    Das war alles. Sie sagten nicht einmal auf Wiedersehen. Später würden sie vielleicht miteinander reden können. Heute hatten Worte keinen Sinn mehr. Sie waren leer. Wie die beiden Frauen.
    An dem Abend, als sie mit Diamantis aus einer Pizzeria kam und ihren Vater auf der anderen Straßenseite sah, wusste sie, dass das kein Zufall war. Das Unheil war nicht weit. Es lungerte noch in der Nähe. Das war ihr klar. Sie sah sich um in der Erwartung, dass Schmit jeden Moment auftauchen würde. Angst überfiel sie. Keine normale, menschliche Angst, wie sie einen plötzlich in Momenten der Leichtfertigkeit oder Schwäche überkommen kann. Nein, eine tief sitzende, namenlose, gegenstandslose, unerklärliche Angst.
    Seit Monaten spielte sie mit ihrem alten Leben Verstecken, vermied alle Orte, wo man sie wieder erkennen könnte. Sie hatte ihren Fuß nicht wieder in die Schule gesetzt und zwei Wochen bei einer Freundin gewohnt. Ein älteres Mädchen, das sie auf einer Feier kennen gelernt hatte. Myriam. Sie arbeitete im Dames des France. Sie hatte dafür gesorgt, dass sie in dem Geschäft eingestellt wurde. Zunächst für die Ferien.
    Aber Marseille ist ein Dorf. Man sitzt in Bars, geht ins Kino, bummelt durch die Straßen, nimmt den Bus … Und so bleibt es nicht aus, dass dich eines Tages jemand wieder erkennt, der es denen sagt, die dich suchen. Denn daran hatte Amina keinen Zweifel, Schmit suchte sie. Sicher war er nicht allein. Er hatte ihren Vater bezahlt, und er wollte etwas für sein Geld. Das viele Geld.
    An jenem Abend war ihre Angst so groß, dass es sie sofort nach Hause drängte. Diamantis sagte sie, sie fühle sich nicht wohl. Zweifellos hatte sie sich den Magen verdorben. Er bestand darauf, sie zu begleiten. Sie lehnte ab und nahm das erstbeste Taxi wie eine Diebin, die Furcht im Bauch. »Ruf mich morgen an«, war alles, was sie rausbrachte.
    Als sie im Taxi saß und fast schon aufatmete, machte sie sich um Diamantis Sorgen. Würden Schmit und ihr Vater ihn überfallen, um aus ihm herauszuquetschen, wo sie wohnte? Aber ihre Angst war so groß, dass er ihr nichts mehr bedeutete. Doch tief in ihr Bett gekuschelt, überkam sie langsam ein Gefühl der Feigheit. Diamantis war ihr nicht gleichgültig. Das wusste sie. Er war der erste Mann, der ihr durch seine Art wieder Vertrauen im Leben gegeben hatte. Dabei kannte sie ihn erst seit drei Tagen! Sie betete die ganze Nacht, dass ihm nichts geschehen möge. Sie war bereit, wenn nötig auf ihn zu verzichten, damit er Schmit nicht in die Hände fiel. Am folgenden Tag blieb sie zu Hause. Aber in den nächsten beiden Tagen gelang es Diamantis, dafür zu sorgen, dass sie ihre Furcht vor Schmit

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