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Aldebaran

Aldebaran

Titel: Aldebaran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Claude Izzo
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nicht viel. Über sich, meine ich.«
    »Ist er verheiratet?«
    Diamantis kam und kam nicht, und all die Fragen, die sie ihm stellen wollte, drängten sich auf ihrer Zunge, ungeduldig, gierig nach Antworten, strömten sie aus dem Durcheinander der Jahre zusammen, aus dem Schweigen, das ihrer geplatzten Verabredung in der Bar du Cap gefolgt war. Wie oft hatte sie sich gefragt, was aus Diamantis geworden war? Wie oft hatte sie sich bei der Vorstellung überrascht, dass sie sich zufällig auf irgendeiner Straße in Marseille begegneten, und sich jedes Mal gefragt, ob sie sich wieder erkennen würden?
    »Ich dachte, Sie kannten ihn.«
    Wo blieb Lalla bloß? Dieses Gespräch wurde ihm unbehaglich. Diese Frau verunsicherte ihn schon wieder. Sie war ihm überlegen. Er hatte wohl verstanden, dass sie sich nicht mehr allzu sehr über ihn mokierte, aber jetzt, wo sie ernst war, war es noch schlimmer. Er konnte nicht mehr mit ihr blödeln, nicht einmal mit Lalla, das spürte er. Und überhaupt, verdammte Scheiße, Nedim, was war das für eine ätzende Geschichte mit den beiden Frauen, die auf Diamantis warten? Das war alles so undurchsichtig. Und dass er nicht durchblickte, beunruhigte ihn. Er würde vorgeben, pinkeln zu müssen, und sich verdünnisieren. Sie hatten es sowieso nicht auf ihn abgesehen, sondern auf Diamantis. Sollte Diamantis doch sehen, wie er klarkam. Wenn er überhaupt kam. Vielleicht hatte er gar keine Lust, die Mädchen zu treffen. Sie vor allem, diese Amina.
    Er stand auf. »Ich muss mal«, entschuldigte er sich.
    Amina hielt ihn am Arm zurück. »Nedim«, sagte sie, »du brauchst keine Angst zu haben. Ich will deinem Kumpel nichts Böses. Dir auch nicht. Was zwischen uns passiert ist, letzte Nacht, das ist … Das war was anderes … Unser Job, verstehst du, nur unser Job. Und dich hat es eben erwischt, das ist alles.«
    »Ich hab keine Angst«, log er.
    »Na, dann geh halt pissen.«
    Lalla trat aus der Bar. Nedim wäre fast rückwärts umgefallen, als er sie sah. Der weiße Badeanzug, den sie trug, war nicht mehr als ein zweigeteilter Fetzen Stoff. Das Ganze schien knapp zu verbergen, was es oben und unten zu verbergen gab. Er dachte an Aysel. Sie müsste Wunder vollbringen, damit er Lallas Körper je vergessen konnte. Und dennoch vermisste er Aysel schon, während sein Blick noch über Lallas Formen schweifte. Zweifellos auch, weil Lalla ihm in diesem Moment für immer unerreichbar erschien.
    Sie reichte Nedim eine schwarze Badehose. »Schau, da müsste dein kleiner Hintern wohl reinpassen.«
    Sie lachte, er tat es ihr nach.
    Hau ab, dachte Nedim wieder. Aber die Aussicht, mit Lalla baden zu gehen, während all die Typen ihr nachschauten, reizte seinen Stolz. Die Vorstellung, dass sie Lalla für sein Mädchen halten könnten, gefiel ihm. Und wer weiß, wenn er so tat als ob, würde es vielleicht Wirklichkeit werden.
    Amina sah ihnen nach. Nedim hatte Lallas Hand genommen, als sie über den Strand gingen. Er ließ sie erst los, als sie ins Wasser sprangen. Das Leben konnte so einfach sein. Ein Mann und eine Frau, die sich kennen lernen. Am Strand oder in einer Bar, wie sie und Diamantis. Sie mögen sich, sie lieben sich. Und das Leben nimmt seinen Lauf.
    Amina hatte den Eindruck, dass Nedim Lalla nicht ganz gleichgültig ließ. Er war eigentlich recht süß, fand sie. Solide, im Großen und Ganzen. Sie waren es, die nicht bei Trost waren. So zu schuften, wie sie es taten, immer wieder Typen anmachen, um Geld ins Habana fließen zu lassen, in Ricardos Taschen.
    Im Wasser verlor sie die beiden aus den Augen. Ricardo. Er hatte ihr Leben organisiert. Als sei sie seine Sklavin. Die Kette war lang, aber sie war da, und am Ende jemand, der sie in der Hand hielt. Ricardos harte, erbarmungslose Hand.
    Es war ihr nicht gelungen, von Gisèle fortzulaufen. Einer der Männer, den sie in der Nacht bemerkt hatte, Dominique, blieb ständig im Wohnzimmer.
    Am Abend hatte Ricardo vorbeigeschaut. »Dein Freund, der Seemann, hat es sich anders überlegt, er kommt nicht«, eröffnete er ihr.
    »Das glaube ich Ihnen nicht.«
    »Glaub, was du willst. Aber du wirst ihn so bald nicht wieder sehen.«
    »Was haben Sie mit ihm gemacht?«, fragte sie besorgt.
    »Nichts Schlimmes. Angst haben wir ihm gemacht, das ist alles. Eine Höllenangst.« Er lachte. »Er hat sich sogar in die Hose geschissen.«
    »Dazu haben sie kein Recht.«
    Er zuckte mit den Schultern, fischte eine Zigarettenschachtel hervor und bot ihr eine an. »Ich will dir

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