Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel
in Ordnung?« fragte sie ängstlich.
Er zog eine Grimasse. »Eigentlich nicht!« sagte er mit zusammengebissenen Zähnen. »Es tut blödsinnig weh.«
Sie sah nach, um sicher zu sein, daß das Feuer von selbst ausgegangen war und nichts anderes angebrannt war, als das Glas fiel. »Komm ins Bad und laß kaltes Wasser über die Hand laufen«, sagte sie zu Bruce.
Die Verbrennung war rot und heiß, und Janie wußte, daß sie noch mehr schmerzen würde, wenn der anfängliche Schock verging. Sie säuberte und bandagierte sie, so gut sie konnte, nahm dann einen weiteren Latexhandschuh aus ihrer Aktenmappe und zog ihn über den Verband.
»Setz dich für ein paar Augenblicke hin«, sagte sie, und er gehorchte ohne Widerstand. »Ich will bloß unten anrufen.« Sie nahm den Hörer ab und tippte die Nummer des Empfangs ein. Während er gegen den Schmerz seiner verbrannten Hand ankämpfte, hörte Bruce sie sagen: »Hier ist Caroline Porter aus Zimmer 608. Ich möchte darum bitten, daß das Reinigungspersonal mein Zimmer für eine Weile nicht betritt. Ich habe hier Forschungsunterlagen herumliegen und möchte nicht, daß jemand sie durcheinanderbringt. Ich werde das BITTE- NICHT-STÖREN-Schild an den Türgriff hängen.« Der Angestellte am Empfang sagte etwas, das Bruce nicht hören konnte, und dann sagte Janie: »Vielen Dank.« Sie legte auf.
»Okay«, sagte sie und schob rasch den Stoff und Carolines Nachthemd in ihre Aktenmappe. »Laß uns gehen.«
»Es gibt da ein kleines Problem«, sagte Bruce.
»Was denn?« sagte Janie. »Wir haben an alles gedacht. Das Zimmer, die Stoffprobe ...«
»Das meine ich nicht«, sagte Bruce, noch immer mit schmerzverzerrtem Gesicht. »Wir werden nicht ins Labor kommen.«
»Warum nicht?« Janie kreischte beinahe. Ihr Plan würde mißlingen; sie fühlte es kommen.
»Ich brauche meine rechte Hand, um die Labortür zu öffnen. Mit dieser Verbrennung wird sie nicht erkannt. Ted und Frank sind -« er hielt inne und korrigierte sich - »waren die einzigen anderen mit unbeschränktem Zutritt. Wir werden einen Wachmann holen müssen, um uns die Tür zu öffnen.«
»Wollen wir denn, daß ein Wachmann uns da reingehen sieht?«
»Ich glaube, wir haben keine andere Wahl.«
Sie spürte, wie sich alles auflöste. Dann kam ihr eine Idee; es überraschte sie selbst, daß ihr das eingefallen war.
»Wir werden Ted mitnehmen«, sagte sie.
»Komm schon, Janie, das ist nicht die Zeit für Scherze. Wie sollen wir das machen?«
»Ich war Chirurgin, erinnerst du dich? Wir werden nur den Teil nehmen, den wir brauchen.«
Ehe Bruce sich noch genug erholen konnte, um etwas zu sagen, suchte sie in ihrer Mappe nach einem Messer.
Sie ließ ihn mit offenen Mund zurück und ging, um das zu tun, was sie am besten konnte; sie dachte daran, wie gut es sich anfühlen würde, wieder etwas in der Hand zu haben, das einem Skalpell ähnelte.
Sie konnten nichts tun, um den üblen Geruch von Teds Hand ganz zu überdecken, und um das Glück voll zu machen, das sie an diesem Tag hatten, war der Londoner Verkehr ein einziger Stau, als Janie und Bruce aus der Hotelhalle eilten.
Während sie zur nächsten Station der Untergrundbahn liefen, öffnete der Himmel seine Schleusen, und sie schafften es gerade noch, einen abfahrenden Zug zu erwischen. Er war voll mit tropfnassen Pendlern auf dem Heimweg, und es gab keinen Sitzplatz. Der durchdringende Geruch von nasser Wolle stieg ringsum von tropfenden Män- teln auf, doch zwangsläufig fingen die Leute bald an, sich etwas von Janie und Bruce zu entfernen, deren versteckte Fracht wesentlich intensiver roch.
Zu Beginn der Fahrt standen sie und hielten sich an den Schlaufen über ihren Köpfen fest, um nicht zu fallen; sie schwankten hin und her, als der Zug den Bahnhof verließ und schneller wurde. Als die Fahrt dann glatter verlief, ließ der Adrenalinstoß nach, und der Schock setzte ein. Ein betäubendes Angstgefühl ergriff Janie, und sie biß sich auf die Lippen, um die Tränen zurückzuhalten; mit feuchten Augen schaute sie zu Bruce auf und sah, daß er sie anstarrte, ebenfalls mit entsetzter Miene, als dächte er: Mein Gott, was haben wir getan.
Sie schaute auf die Aktenmappe nieder. Da drin ist eine abgeschnittene Hand, dachte sie, eine Hand, die ich grüßend geschüttelt habe ... eine Hand, die ich über das Haar ihres früheren Besitzers habe streichen sehen, kein Plastikgegenstand zur medizinischen Ausbildung, sondern eine echte menschliche Hand, die ein oder zwei
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