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Alejandro Canches 03 - Der Fluch des Medicus

Titel: Alejandro Canches 03 - Der Fluch des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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führenden Leitungen den Schnee entfernte. Trotz der Kälte trug er keine Mütze, was durch seine mittlerweile recht dünnen Haare auch nicht wettgemacht wurde. Bedingt durch die anstrengende körperliche Arbeit, die das bloße Überleben erforderte, war er über die Jahre schlanker und muskulöser geworden. Er witzelte oft, dass das Jurastudium ihn nicht auf diesen Abschnitt seines Lebens vorbereitet hätte, aber er klagte eigentlich nie über die Umstände, unter denen sie jetzt lebten.
    Sein Lächeln war so jungenhaft wie immer. Er stapfte durch den Schnee auf sie zu und sagte: »Hallo, schöne Frau. Wie nett.«
    Janie erwiderte seine Umarmung nicht mit derselben Innigkeit wie sonst. Sie drückte ihn nur kurz, dann ließ sie ihn los. Tom, der ihre Angespanntheit bemerkte, trat einen Schritt zurück.
    »Was ist los?«, sagte er. »Ist jemand krank?«

    »Nein«, erwiderte sie und schüttelte den Kopf. Sie fing an zu zittern, von plötzlicher Kälte erfasst, und er zog sie wieder an sich.
    »Nein«, wiederholte sie. Ihre Stimme war nicht viel mehr als ein Flüstern. »Zumindest noch nicht.«

3
    Der päpstliche Palast sah noch genauso aus wie vor sieben Jahren, als Alejandro das letzte Mal dort gewesen war. Damals hatte der neugeborene Guillaume in ein Tuch gebunden an seiner Brust gelegen und nicht wie jetzt hinter ihm im Sattel gesessen. Ihr Gefährte auf der Flucht aus Paris war eine kleine weiße Ziege gewesen, die sie treu mit Milch versorgt hatte. Nach der langen Reise war der Medicus schmutzig und erschöpft gewesen und in seinen einfachen, abgetragenen Kleidern kaum eines Blickes gewürdigt worden.
    Genau auf diesem Platz war er stehen geblieben und hatte einem der vorbeieilenden Männer eine Frage gestellt.
    In welchem Teil der Stadt leben die Juden?
    Rue de Juifs lautete die Antwort des Fremden. Dort hatte Alejandro seinen alten Vater wiedergefunden und mit ihm und Guillaume im Ghetto gewohnt, ohne auch nur einmal in all der Zeit dessen Grenzen zu überschreiten - die, obgleich unsichtbar, genauso unüberwindlich waren wie die Mauern einer Festung.
    Vielleicht war es doch klug von de Chauliac gewesen, seinen Boten mitten in der Nacht zu schicken, dachte er.
    Ich öffne Euch die Tür, hatte der junge Soldat gesagt. Er hatte Alejandro genaue Anweisungen gegeben, wo er warten sollte - an einer einsamen Stelle auf der Rückseite des Palastes, wo sich rechts der Ställe eine hölzerne Tür mit einer roten Glockenschnur befand. Hier warteten sie jetzt, immer noch zu Pferd. Guillaumes dünne Arme lagen um Alejandros Taille, so
wie die seiner Mutter damals auf der Flucht aus England. Jetzt war sie zu einer bemerkenswerten Frau herangewachsen.
    In dem kalten Pestwinter nach dem Tod ihres Mannes, als es außer Geschichtenerzählen wenig gab, was ihren Geist gesund erhalten konnte, hatte Kate ihm von der Bemerkung des jungen Chaucer berichtet, als er sie in Paris zum ersten Mal erblickt hatte.
    Ihr könntet die Schwester meines Herrn, Prinz Lionel, sein.
    »Grand-père«, flüsterte der Knabe.
    Alejandro kehrte in die Gegenwart zurück. »Ja, Guillaume?«
    »Sind wir am Ziel?«
    Wo war ihr Ziel? Er konnte es noch nicht sagen.
    »Fürs Erste, ja.«
    »Aber warum sitzen wir dann noch auf dem Pferd?«
    Alejandro dachte über eine angemessene Antwort nach. Er wollte dem Kind keine Angst machen, aber er wollte die Gefahr, in der sie sich befanden, auch nicht herunterspielen. Schließlich sagte er: »Möglicherweise müssen wir noch weiter. Aber das werden wir bald wissen.«
    »Aha«, sagte der Knabe. Er schien mit der Antwort zufrieden zu sein und legte den Kopf an Alejandros Rücken. »Ich bin sehr müde, Grand-père. Wann können wir schlafen?«
    »Sobald es ratsam ist. Bald, hoffe ich.«
    Guillaume lehnte sich an Alejandros Rücken. Alejandro spürte, wie sich der Griff lockerte, als der Knabe in einen leichten Schlaf sank. Reglos verharrte er, während sie umgeben von Dunkelheit und Stille im Schatten des Palastes warteten. Nach einer Weile hörte er auf der anderen Seite der Tür ein Geräusch, und wenige Augenblicke später ging die Tür mit einem leisen Quietschen der eisernen Angeln auf. Alej andro konnte das Gesicht desjenigen, der ihnen öffnete, im schwachen Licht der heraufziehenden Morgendämmerung nicht sehen, deshalb legte er die Hand an den Griff seines Dolches und verhielt sich weiterhin still, bis er zu seiner Erleichterung eine Stimme vernahm,
in der er die des jungen Mannes erkannte, der sie aus der

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