Alejandro Canches 03 - Der Fluch des Medicus
den Leuten in eurem Dorf berichten, die darüber wohl kaum sehr erfreut sein dürften. Es ist eine Schande, dass du stiehlst, was für alle bestimmt ist.«
»Ich habe Anspruch auf einen Anteil, Sir«, sagte der zitternde Mann. »Ich habe ihn mir nur ein wenig früher genommen, das ist alles.«
»In der Tat«, erwiderte Chandos. »Recht früh, wie es scheint.«
Sein Pferd schnaubte und begann auf der Stelle zu tänzeln, und der Mann wich ängstlich den Hufen aus. Chandos blickte auf ihn hinunter und fragte: »Halten die Leute der Seuche noch stand?«
»Mehr recht als schlecht, Sir, wenn wir auch nach wie vor alle um unsere Seelen bangen. Wir haben bereits viele Tote hierhergebracht.«
Chandos betrachtete die frischen Gräberreihen. »Ich versichere dich der Anteilnahme deines Königs, wie auch der meinen. Aber sag mir«, fuhr er fort, »gibt es in deinem Dorf einen Barbier oder eine Hebamme, um die Kranken zur Ader zu lassen?«
Der Mann wurde ganz aufgeregt. »Nun ja, nein, Sir, weder das eine noch das andere, aber ein glücklicher Zufall führte einen Medicus zu uns - einen Reisenden, der kaum eine Woche bevor die Seuche ausbrach in unser Dorf kam. Und er hat eine Dame bei sich - seine Tochter, wie er sagt.«
»Ein außergewöhnlich glücklicher Zufall … Wie kommt es, dass sich in dieser Gegend just in dem Augenblick ein Medicus aufhält, als die Pest sich bemerkbar macht?«
Obwohl ihm der seltsame und ehrfurchtgebietende Ritter offensichtlich Angst einjagte, erschien dem Mann die Neugier, die dieser an den Tag legte, seltsam. »Das kann ich Euch nicht sagen, Sir.«
»Nein, das kannst du wohl nicht. Man fragt sich jedoch, ob er die Krankheit möglicherweise mitbrachte, um sich Ruhm zu erwerben, indem er die Kranken pflegt.«
Dazu wiederum wusste der Mann sehr wohl etwas zu sagen. »O nein, Sir. Den Ältesten zufolge kam sie mit dem Wolltuch von Covington zu uns. Er hat es aus London kommen lassen, obwohl es verboten war.«
»Nun, wenn das die Ältesten sagen, dann ist es gewiss wahr. Ich bin sicher, dieser Medicus hatte nichts damit zu tun, mag es auch als noch so großer Zufall erscheinen.« Er beugte sich vor und fuhr mit gesenkter Stimme fort: »Ich werde dir etwas verraten, zum Besten deines Dorfes. Ich hörte von einem reisenden Medicus, der in Begleitung einer schönen blonden Frau in der Umgebung von Windsor gesehen wurde. Dieser Mann ist ein Jude, und die Frau ist eine Hexe. Wie wir hörten, befindet
sich in ihrem Besitz jenes Gift, das in ganz Frankreich die Brunnen mit der Pest verseuchte.«
Der Mann schnappte nach Luft. Chandos ließ ihm einen Augenblick Zeit, das soeben Gehörte zu verdauen, dann nickte er ihm zu und sagte: »Nun, ich wünsche dir einen guten Tag. Stiehl nicht mehr, denn sollte ich davon erfahren, komme ich mit einer scharfen Klinge wieder, um mir deine Hand zu holen. Ich werde dafür beten, dass euer Dorf sich gegen die Pest behaupten kann. Und dass die Eindringlinge euch mit keinem allzu starken Zauber belegen.«
Damit wendete er sein Pferd und ritt mit Benoît langsam davon. Nach ein paar Schritten drehte Chandos sich zu seinem verhassten Begleiter, der während der gesamten Unterhaltung kein Wort von sich gegeben hatte.
Er grinste Benoît zu und sagte: »Das habt Ihr gut gemacht.«
Der Mann war noch keine fünf Minuten wieder in Eyam, als er bereits jedem von seiner Begegnung mit dem furchteinflößenden Ritter berichtete. Das Gerücht verbreitete sich in Windeseile, es flog durch die Kirche und die Taverne, als hätte es Flügel. Es waren immer dieselben geflüsterten Worte:
Eine Hexe und ein Jude - sie haben es gebracht.
Alejandro und Kate gönnten sich auf einer Bank am Marktplatz eine kurze Erholung, als die Ältesten zu ihnen traten.
»Ist es wahr, was man sagt?«, fragte einer und deutete anklagend mit dem Finger auf sie, »dass Ihr die Pest über die Unschuldigen hier brachtet, um Euch Ruhm durch die Behandlung der Kranken zu erwerben?«
Alejandro sah den Mann verständnislos an. »Sir? Ich weiß nicht, wovon Ihr sprecht.«
»Wir blieben von der Pest verschont, bis Ihr kamt. Vielleicht rührt sie ja von irgendeinem Gift her! Und jetzt behandelt Ihr uns, und einige überleben sie.«
»Wir taten nichts, was …«
Ein anderer der Ältesten trat vor. »Das alles ist Euer Werk.«
Alejandro und Kate sahen einander ein paar schreckerfüllte Sekunden lang an. »Wir verstehen nicht, wovon Ihr sprecht«, sagte er dann. »Aber unsere Beobachtungen führen uns
Weitere Kostenlose Bücher