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Alejandro Canches 03 - Der Fluch des Medicus

Titel: Alejandro Canches 03 - Der Fluch des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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geritten, dieses Mal aber trug er die schlichte Reisekleidung eines gewöhnlichen Mannes, nicht die bestickte Tunika und die engen Beinlinge, die er als päpstlicher Gesandter am englischen Königshof getragen hatte. Und dieses Mal befand sich auch de Chauliac unter den Reisenden. Wie es seinem Stand entsprach, trug der Franzose das fließende burgunderrote Gewand und den eckigen Hut eines Arztes und Gelehrten. Das Weiß seines Haars schien dadurch noch mehr zu leuchten. In den Ortschaften, durch die sie auf ihrer Reise kamen, würde sich alle Aufmerksamkeit auf ihn richten, und niemand würde auf den stillen, dunkelhaarigen Mann am Ende des kleinen Zuges achten, der sein Pferd mit einem Kind teilte.
    Guillaume war in sich gekehrt und wurde immer noch stiller, je weiter sie sich von dem einzigen Zuhause, das er jemals gekannt hatte, entfernten. Für gewöhnlich von lebhaftem Wesen, wirkte er jetzt ernst und bedrückt; mitunter sagte er mehrere Meilen lang kein Wort. Sein Großvater war zwar einerseits froh darüber - wir müssen alles vermeiden, was die Aufmerksamkeit auf uns lenkt -, andererseits aber war er besorgt und ein wenig traurig über die Veränderung. Außerdem litt er darunter, dass er nun, da er und de Chauliac endlich wieder vereint waren, sich nicht mit ihm über all die Dinge austauschen konnte, die ihnen beiden am Herzen lagen. Er sehnte sich danach, all die neuen Kenntnisse zu erörtern, die sie jeder für sich erworben hatten. Ihre ausführliche geheime Korrespondenz
hatte ihm viel bedeutet, aber sie war auf das Pergament beschränkt gewesen, es fehlten die Wortgefechte, die ihre Gespräche stets geprägt hatten. Den Freund leibhaftig vor sich zu haben - um ihm zu widersprechen, ihn herauszufordern - wäre wunderbar gewesen. Während Alejandro die vertraute Straße entlangritt, dachte er darüber nach, dass damals, als er diesen Weg das erste Mal genommen hatte, de Chauliac der Lehrer gewesen war und er der Schüler. Es hatte ihn mit Ehrfurcht erfüllt, wie profund und umfassend das Wissen seines Mentors war. Dennoch war es Alejandro Canches gewesen, der Guy de Chauliac mit einer Erkenntnis verblüfft hatte, die eine ihrer hitzigsten Debatten nach sich zog.
    Ratten.
    Ratten, was meint Ihr damit?
    Es sind die Ratten, die die Pest übertragen.
    Unsinn!
    Denkt doch einmal darüber nach, de Chauliac. Wo Ratten sind, da ist auch die Pest.
    De Chauliac hatte diese Feststellung kurzerhand als Narretei abgetan.
    Ratten sind überall.
    »Eben«, sagte Alejandro laut.
    Guillaume drehte den Kopf und sah ihn an, als wollte er fragen: Was habt Ihr gesagt?
    »Nichts«, sagte Alejandro, der den stummen Blick des Knaben richtig deutete. »Nichts von Bedeutung.«

    Nicht weit nördlich von Avignon bestiegen sie ein Boot und fuhren die Rhône flussaufwärts, bis durch das Schmelzwasser aus dem Zentralmassiv die Strömung zu stark wurde; sie legten wieder am Ufer an und setzten ihre Reise zu Pferd fort, bis sie in dem nahe am Fluss gelegenen Städtchen Valence anlangten. Dort befand sich das Kloster, in dem sie die erste Nacht verbringen wollten. De Chauliac wurde vom Gesinde und einem Dutzend Mönchen in braunen Kutten unter Verbeugungen in
den Hof geleitet und verschwand gleich darauf, in Begleitung eines geistlichen Würdenträgers in rotem Gewand mit einer Mitra auf dem Kopf, durch eine Tür. Seine Reisegefährten - darunter Alejandro und Guillaume - wurden der Obhut eines Pferdeknechts überlassen, der sie zu den Ställen führte, wo sie zwischen den Pferden im Stroh schlafen würden.
    Nicht weit vom Kloster entfernt befand sich der Marktplatz. Guillaume konnte den Blick nicht von dem Licht wenden, das durch die Fenster der Taverne fiel, und als Alejandro ihn in den Stall führen wollte, blieb er stehen.
    »Wir müssen uns verborgen halten«, sagte er zu dem Knaben.
    »Aber, Grand-père, da spielt Musik - können wir nicht zuhören, bitte?«
    »Nein, Guillaume, es darf uns niemand sehen.«
    »Nur für eine Weile, es kennt uns doch niemand hier.«
    Er hatte natürlich recht; es war keine große Gefahr damit verbunden, die Taverne aufzusuchen. Es wäre vielleicht sogar mehr aufgefallen, wenn sie nicht dorthin gegangen wären. Die einzigen Soldaten weit und breit waren die aus ihrer Eskorte. Die Hälfte von ihnen bezog in voller Rüstung ihre Wachtposten, während die übrigen bis auf einen in die Taverne eilten, sobald sie sich entfernen durften. Der schmächtige Soldat, der zurückblieb, schien sich in der

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