Alera 01 - Geliebter Feind
vor mir geknickst hatte, zupfte sie freudestrahlend die Spitze an Steldors Hemd zurecht. Die große Ähnlichkeit zwischen Mutter und Sohn faszinierte mich wieder einmal – von ihr hatte Steldor das ovale Gesicht, die hohen Wangenknochen, die gerade, schmale Nase und das perfekte Lächeln geerbt.
Auf die Fürsorglichkeit seiner Mutter reagierte Steldor nur mit einem Augenrollen. Ich hob die Hand vor meinen Mund, um meine Belustigung zu verbergen, und warf einen Blick auf Cannan, dem das übertriebene Benehmen seiner Frau ebenfalls zu missfallen schien.
Wir plauderten ein wenig, als auch schon Galen in Begleitung einer jungen Frau namens Tiersia erschien. Sie war sehr zierlich und feminin und hatte strahlend grüne Augen und langes kupferfarbenes Haar. Sie war zwei Jahre älter als ich und recht schüchtern, und wir hatten uns noch nie unterhalten.
»Ah, Galen! Wie immer zu spät«, kommentierte Steldor das Auftauchen seines Freundes.
»Ich komme nie zu spät«, erwiderte Galen aufgeräumt. »Inzwischen solltest du doch schon wissen, dass kein Fest beginnt, bevor ich da bin.«
Steldor grinste spitzbübisch, als Galen Tiersia in unsere Mitte führte.
»Und wer ist diese hübsche junge Dame, der es auferlegt wurde, dich zu begleiten?«, fragte er.
»Nur die Ruhe. Ich werde sie gleich vorstellen.« Wie Steldor schien auch Galen allerbester Laune zu sein. Er drehte sich zu mir um, verneigte sich und küsste mir die Hand. »Prinzessin Alera, darf ich Euch Lady Tiersia vorstellen? Die älteste Tochter von Baron Rapheth und Baronin Kalena.«
Ich nickte, als sie einen Knicks machte, doch meinBlick blieb auf Galen gerichtet, der außer Steldor der Einzige war, der mich mit Handkuss begrüßt hatte.
Dann wandte Galen sich an Cannan und Faramay.
»Lady Tiersia, ich möchte Euch mit Baron Cannan, Hauptmann der Elitegarde, und seiner Gattin, Baronin Faramay, bekannt machen.« Galen hielt sich streng ans Protokoll und deutete eine Verbeugung an.
»Es freut mich, Euch kennenzulernen«, erwiderte Cannan freundlich, doch ich bemerkte Tiersias wachsamen Blick und wusste, dass sie offenbar seine bloße Gegenwart schon als einschüchternd empfand.
»Dies hier …«, Galen machte eine Kunstpause, »… ist ihr Sohn, Lord Steldor. Den ich gelegentlich als meinen besten Freund betrachte«, beendete Galen die Vorstellung mit einem ironischen Seitenhieb.
Steldor nickte Tiersia zu und legte einen Arm um Galens Schulter.
»Lass uns etwas zu trinken besorgen«, sagte er und zog Galen mit zu dem kleinen Tisch, auf dem gläserne Pokale und verschiedene Getränke standen.
Während die beiden sich bedienten, nutzte Cannan die Gelegenheit, um Faramay quer durch das Zimmer an den lodernden Kamin zu führen. Tiersia trat an meine Seite.
»Wie lange kennt Ihr Galen schon?«, fragte ich sie freundlich und versuchte, ihr etwas von ihrer Nervosität zu nehmen.
»Wir haben uns bei einer kleinen Weihnachtsfeier kennengelernt. Und seither hat er mich zweimal besucht.«
Sie wirkte sanft und liebenswürdig, und ich dachte, dass Galen es mit ihr sehr gut getroffen hatte.
Als die beiden Freunde zurückkamen, brachten sie uns Weingläser mit. Nachdem Steldor einen Schluck ausseinem genommen hatte, wandte Steldor sich erneut an Tiersia und schlug noch einmal in dieselbe Kerbe.
»Verratet mir doch, welche Art von Bestechung im Spiel war, damit Galen den heutigen Abend an der Seite einer so zauberhaften Frau verbringen darf.«
Tiersia antwortete nicht, sondern warf nur mit flammend roten Wangen ihrem Begleiter einen Blick zu. Sie schien unsicher, wie sie auf Steldor reagieren sollte. Galen legte galant seinen Arm um ihre Taille und griff kavaliersmäßig die Bemerkung seines Freundes auf.
»Du magst dir zwar schon das eine oder andere Mal mit Bestechung beholfen haben, um junge Frauen dazu zu bringen, dich zu begleiten, doch ich musste noch nie zu solchen Mitteln greifen.«
»Aber, aber, Galen, da täuscht dich dein Gedächtnis. Sie waren es, die mich bestochen haben.«
»Und wie lange dauerte es jeweils, bis sie ihr Geld zurückverlangten?«, stichelte Galen mit einem breiten Grinsen und genoss den Schlagabtausch sichtlich.
Steldor fuhr an Tiersia gewandt scherzhaft fort: »Ich muss Euch vor Galen warnen. Sein Charme lässt sehr rasch nach, wie … wie jetzt zum Beispiel, danach ist er ziemlich langweilig.« Er deutete auf den Tisch mit den Getränken und fügte mit einem teuflischen Glitzern in den Augen hinzu : »Also haltet Euch im Laufe
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