Alera 01 - Geliebter Feind
damit zu spielen. Ich habe nie jemand verletzt, aber du kannst mir glauben, dass ich in große Schwierigkeiten geriet. Aus irgendeinem Grund tat ich es trotzdem wieder. Ich weiß gar nicht, warum. Ich schätze, es war mir schlicht vorbestimmt, Soldat zu werden. Mein Traum war, in die Elitegarde aufgenommen zu werden. Menschen wie du haben mich dazu inspiriert, zu werden, was ich heute bin. Als einfacher Soldat habe ich allerhand dumme Fehler gemacht, deshalb hätte ich nie geglaubt, es zu schaffen. Aber das habe ich! Ich erinnere mich, in der Kaserne von eurem Training als Elitegarde gehört zu haben. Damals dachte ich, niemals! Niemals würde ich das überstehen. Aber als ich erst einmal aufgenommen war, wollte ich auf keinen Fall wiederabgewiesen werden, und so bin ich irgendwie durchgekommen.«
Eine Pause trat ein, und ich stellte mir Tadark als Taucher vor, der nach Luft schnappte, denn seine Rede hatte seine Lungen sicher strapaziert. Dann fuhr er etwas langsamer fort und klang jetzt weniger enthusiastisch, sondern eher neugierig.
»Wie hast du es geschafft?«
Die Zeit verstrich und Tadark schien auf Londons Antwort zu warten. Ich vermutete, dass er ein Buch las und überhaupt nicht darauf achtete, was der Jüngere von sich gab.
»Du bist eher ein stiller Typ, was?« Immer noch hörte ich nur Tadark sprechen.
»Nur in deiner Gegenwart«, erwiderte London abwesend, aber immerhin zeigte er seinem Gegenüber damit irgendeine Reaktion.
»Warum das denn? Ich kann mir nicht vorstellen, dass du jemals viel redest. Du kommst mir eher ein bisschen … langweilig vor.«
Ich hielt mir die Hand vor den Mund, um nicht laut loszulachen, was mir befremdliche Blicke von vorübergehenden Wachen und anderen Bediensteten eintrug.
Eine Pause trat ein, dann gab London ihm eine Erklärung: »Ich denke mir einfach, du redest so viel, dass es für uns beide reicht, Tad.«
»Mein Name ist Tadark .«
»Was passt dir an Tad nicht? Ich finde, das passt zu dir. Tad.«
»Nenn mich nicht so!«
»Wie du willst … Tad.«
Tadark atmete ein paarmal hörbar aus, und ich war mir sicher, dass London sich wieder seinem Buch zugewandt hatte und Tadarks Missfallen einfach ignorierte.Einen Augenblick später schien der Leutnant sich gefangen zu haben und versuchte erneut, London zu provozieren.
»Weißt du eigentlich, warum ich dir dauernd folge?«
»Weil wir zusammen eingeteilt sind?«, fragte London mit gespielter Naivität.
»Ja, natürlich, aber es gibt noch einen anderen Grund.«
»Sag schon, Tad. Warum folgst du mir dauernd?«
»Weil ich dich respektiere. Du verkörperst alles, wonach ich strebe – alles, was einen Elitesoldaten ausmacht.«
»Oh, ich fühle mich geehrt!«
»Es ist mir ein Gräuel, mir vorzustellen, dass du den König und die Königin aus Eigennutz verrätst.«
Auf diese ungeheuerliche Unterstellung folgten einige Augenblicke des Schweigens.
»Was redest du denn da?«, fragte London schließlich und klang, als hielte er Tadark für hoffnungslos schwachsinnig.
»Jemand muss es doch getan haben – die Cokyrierin befreit haben. Das könntest du genauso gut gewesen sein wie jeder andere.«
»Es gibt keinerlei Beweis dafür, dass ihr jemand bei der Flucht geholfen hat.«
»Ach, komm schon«, sagte Tadark, als hätte London einen Scherz gemacht. »Du weißt genau, dass es einen Verräter gibt. Und ich sage ja nur, dass … eben jeder verdächtig ist.«
»Es steht dir nicht zu, jemanden zu verdächtigen, Tadark. Oft genug ist derjenige schuldig, der andere verdächtigt.« London war aufgebracht, und ich hatte ihn noch nie in einem derart drohenden Ton reden gehört. »Geh mir nicht auf die Nerven. Ich kann dir einen Haufen Probleme machen, Bursche.«
»Bursche? Wie kommst du dazu, mich Bursche zu nennen? Du siehst ja jünger aus als ich!« Tadark kreischte schon fast und sein Stimme wurde immer höher, je mehr er sich aufregte.
Ein Buch fiel zu Boden und ich wusste, dass London aufgesprungen war.
»Pass bloß auf! Oder hast du vergessen, dass ich dein vorgesetzter Offizier bin?«
»Nein, Sir. Das habe ich nicht, Sir«, murmelte Tadark.
»Ich habe dich nicht gehört«, knurrte London.
»Nein, Sir. Das habe ich nicht, Sir«, wiederholte Tadark mit lauterer, klarer Stimme.
Ich beschloss, einzuschreiten, bevor mein junger Leibwächter irgendeine schreckliche Strafe erhielt. Ich kannte London ja, der grundsätzlich nur seinen eigenen Regeln folgte und schon sehr gereizt sein musste, um aufs militärische
Weitere Kostenlose Bücher