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Alera 01 - Geliebter Feind

Alera 01 - Geliebter Feind

Titel: Alera 01 - Geliebter Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cayla Kluver
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zum Verhör verschleppt. Die Cokyrier machen selten Gefangene, und er ist der Einzige, der diese Gefangenschaft je überlebt hat. Die meisten unserer Informationen über den Overlord und die Hohepriesterin stammen von ihm.«
    Die melodische Stimme meiner Mutter stand in scharfem Kontrast zum Inhalt ihrer Rede, was die Geschichte, die sie erzählte, noch unwirklicher scheinen ließ.
    »Zu dem Zeitpunkt, als die Cokyrier unsere Kinder stahlen, befand er sich in ihrer Gewalt. Er sagte, sie müssten erreicht haben, was sie wollten, da sie sich so abrupt von unserem Territorium zurückzogen. Wir wissen aber nur, dass sie ihre Feldlager verließen und flohen. In diesem Durcheinander, als die Truppen nach Cokyri zurückkehrten, konnte er entkommen.«
    »Was genau meinst du mit ›zum Verhör verschleppt‹?«, fragte ich und war auf das Schlimmste gefasst.
    »Wir wissen nur wenig darüber, was London während seiner Abwesenheit durchgemacht hat«, erwiderte sie und streichelte meine Hand. »Über die Einzelheiten wollte er sich nicht äußern.«
    »Haben sie ihn denn verletzt?«
    Mir wurde schwindelig, als ich mich daran erinnerte, was London über den Overlord erzählt hatte. Ich wollte einfach nicht glauben, dass er dem Zorn dieses Kriegsherrn ausgeliefert gewesen war, aber es verstand sich von selbst, dass er als Gefangener misshandelt worden war.
    »Wie schon gesagt, wir wissen sehr wenig darüber, was er durchgemacht hat«, wiederholte meine Mutter.
    Offensichtlich hoffte sie, ich würde die Sache auf sich beruhen lassen, wenn sie nicht weiter ins Detail ging. Doch die Entschlossenheit in meinem Blick war wohl unmissverständlich.
    »Er kam in einem sehr seltsamen Zustand zurück«, fuhr sie schließlich zögernd fort.
    »Was meinst du mit ›seltsam‹?«
    »Er wies keine sichtbaren körperlichen Verletzungen auf, aber es dauerte Monate, bis er sich erholt hatte.«
    »Aber das ist doch selbstverständlich«, überlegte ich und war schon erleichtert, dass man meinen Freund und Leibwächter nicht gefoltert hatte. »Jeder würde eine Zeit lang brauchen, um so ein Leid zu überwinden.«
    »Ja, aber ich spreche nicht von dieser Art Überwindung.«
    Sie hob die Hand und rieb sich leicht die Stirn, wie um sich die Erinnerungen aus dem Gedächtnis zu massieren. Verwirrt wartete ich darauf, dass sie fortfuhr.
    »Er war furchtbar krank, doch es war keine Krankheit, die unsere Ärzte hätten diagnostizieren können. Er wirkte fiebrig, doch seine Haut war eiskalt. Er delirierte und konnte weder zusammenhängend sprechen noch Fragen beantworten. Er schrie vor Schmerz, doch unsere Ärzte konnten keine Ursache dafür feststellen. Wochenlang aß und trank er kaum. Die Ärzte ließen ihnmehrmals zur Ader, doch es half nichts. Schließlich meinten sie, er würde gewiss bald sterben.«
    Nachdenklich schwieg sie für eine Weile.
    »Wir können uns die Willensanstrengung vermutlich nicht einmal vorstellen, die es ihn gekostet haben muss, in diesem Zustand nach Hytanica zurückzukehren. Als er wieder Herr seiner Sinne war, erzählte er uns alles, was er wusste, über seine Flucht und den Overlord. Ich fürchte, dein Vater und Cannan haben ihm ziemlich zugesetzt, weil sie wohl Sorge hatten, diese mysteriöse Krankheit, die ihn so lange außer Gefecht gesetzt hatte, könnte erneut ausbrechen. Danach brauchte er erst einmal Zeit, um das Erlittene einigermaßen zu überwinden. Monatelang war er sehr in sich gekehrt, aber mit der Zeit wurde er wieder wie früher.«
    Ich starrte auf das Muster des Teppichs, während ich versuchte, aus den Informationen meiner Mutter Schlüsse zu ziehen.
    »London hat mir von alldem nie erzählt«, sagte ich leise.
    »Er ist ein verschlossener Mensch«, stellte meine Mutter fest. »Solltest du ihn je nach Cokyri fragen, stell ihm keine zu persönlichen Fragen. Manche Dinge lässt man einfach besser unangetastet.«
    Ich stimmte ihr zu, denn mir war klar, dass es für uns beide unangenehm wäre, London auf diese Vorkommnisse anzusprechen.
    »Gute Nacht, Alera«, sagte meine Mutter und küsste mich auf die Stirn, bevor sie an ihren Frisiertisch zurückkehrte und fortfuhr, ihr Haar zu bürsten. »Lass dich von deiner Neugier nicht auf Abwege bringen.«
    »Gute Nacht, Mutter. Und danke.«
    Ich verließ ihr Schlafzimmer und durchquerte langsam den Salon, bevor ich auf den Flur trat. Wie naivwar ich gewesen, dass ich London an dem Abend, als die Cokyrierin im Garten aufgetaucht war, nach Cokyri und dem Overlord gefragt

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