Alera 01 - Geliebter Feind
entscheiden können, Prinzessin, wäre ich auch nicht gekommen.« Er klang sehr verbittert, während er ins Zimmer trat.
Sein Verhalten erschreckte mich, auch wenn ich natürlich kein Recht darauf hatte, eine freundliche Begrüßung zu erwarten. Ich schaute mich im Salon um und bemerkte, dass Tadark gekränkt dreinsah – seine rundlichen Wangen hatten fast die Farbe meiner burgunderroten Möbel angenommen, seine Fäuste waren zornig geballt. Auch wenn er sich im Moment darüber aufzuregen schien, wie London mit mir sprach, so wusste ich doch, dass sein Unmut eigentlich daher rührte, dass er wochenlang die Zielscheibe von Londons Spott gewesen war.
Der Wachmann, der London hergebracht hatte, schien sich nicht darum zu scheren, wie dieser sich mir, einer Prinzessin von Hytanica, gegenüber benahm. Sein Gemüt schien so gut gepolstert zu sein wie sein Körper. Destari, der sich neben seinen Freund gestellt hatte, sah unbehaglich drein, auch wenn ihn Tadarks Verhaltenweder zu wundern noch zu verärgern schien. Niemand sagte ein Wort, und ich brauchte einen Moment, um den Schmerz, den Londons Ruppigkeit und Distanziertheit mir zugefügt hatten, zu verwinden.
»Würdet ihr uns jetzt allein lassen?«, sagte ich zu den drei Wachmännern. Meiner Ansicht nach hatte London das Recht, zu sagen, was ihm beliebte, und ich hatte Sorge, dass sich einer der anderen um meinetwillen einmischen würde.
Tadark meldete sich natürlich als Erster mit seiner Meinung zu Wort.
»Ich werde Euch nicht mit diesem Kriminellen allein lassen!«
Er richtete sich zu seiner nicht gerade eindrucksvollen Größe auf, drückte in dem kläglichen Versuch, bedrohlich zu wirken, seine Brust heraus. Allerdings sank er wieder in sich zusammen, sobald Londons tödlicher Blick ihn traf.
»Ach, sei still, Tadark«, knurrte Destari und legte eine Hand auf die Schulter seines Freundes London, um ihn zurückzuhalten.
Tadark murmelte etwas Unverständliches, und Destari deutete mit dem Kopf zur Tür.
»Geh in die Halle.«
Tadark zauderte, doch dann verließ er den Raum an den älteren Wachen vorbei. Offenbar wagte er es nicht, dem stellvertretenden Hauptmann zu widersprechen.
»Nehmt euch so viel Zeit, wie ihr braucht«, sagte Destari und deutete eine Verbeugung in meine Richtung an. »Ich werde Tadark schon in Schach halten.«
Ich nickte und Destari nahm die Hand von Londons Schulter, bevor er sich kurz an den anderen Wachmann wandte und ihm zu verstehen gab, dass er sich ebenfalls zurückziehen sollte. Ich wandte mich wieder Londonzu, der nichts sagte, sondern nur die Arme verschränkte und sich wie gewohnt an die Wand lehnte. Diesmal wirkte diese Haltung jedoch sehr abweisend.
»Du musst zornig auf mich sein«, wagte ich einen Anfang und machte ein paar Schritte auf ihn zu. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, welche Richtung dieses Gespräch nehmen würde.
»Und warum sollte ich zornig auf Euch sein, Prinzessin?«, erwiderte er kalt.
»Du musst nicht so formell mit mir reden«, warf ich zögernd ein. Dass er mich als »Prinzessin« titulierte, gab ihm wohl das Gefühl von Distanz, ließ meine Verzweiflung aber nur weiter wachsen.
»Ich weiß nicht, wovon Ihr sprecht, Eure Hoheit. Ich rede genauso mit Euch wie all Eure Untergebenen. Denn das bin ich ja jetzt, wie Ihr wisst.«
»London, lass das«, beharrte ich, während die Schuldgefühle in meiner Brust brannten.
»Sehr wohl, Mylady«, sagte er mit spöttischer Höflichkeit und zog sich noch weiter von mir zurück.
»Bitte, London.«
»Ich weiß nicht genau, was Ihr von mir wünscht, Prinzessin.«
»Hör auf damit, London«, explodierte ich schließlich und stampfte mit dem Fuß auf. Wider Willen traten mir Tränen in die Augen. »Ich habe getan, was ich für das Beste hielt, und du bist wütend auf mich! Schrei mich an! Sag mir, dass ich eine Dummheit begangen und mich in Dinge eingemischt habe, die mich nichts angehen! Aber steh nicht so herum und ignorier das, was geschehen ist!«
Nach diesem Ausbruch herrschte unerträgliches Schweigen, das sich – so fürchtete ich – ins Unendliche auszudehnen drohte. Dann streckte London sich undtrat mit vor Zorn zusammengepressten Kiefern von der Wand weg. Ich wich erschrocken zurück. Seine indigoblauen Augen musterten mich scharf und die Kälte, die er ausstrahlte, raubte mir fast den Atem. Endlich sprach er und seine Stimme klang scharf wie ein Messer.
»Das ist ja interessant – mein Leben ist ruiniert, und dennoch benimmst du dich, als
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