Alera 01 - Geliebter Feind
ist Kommandant, der Titel, Ländereien und sonstigen Besitz von seinem Vater erbt, was ihn akzeptabel machen würde, gleichzeitig ist er jedoch der beste Freund von Lord Steldor und nicht der Sohn des Hauptmannes der Elitegarde, also nur die zweitbeste Wahl. Vater möchte, dass ich jemand heirate, der mindestens einige Jahre älter ist als ich und bereits etwas mehr Erfahrung und Reife mitbringt, um sofort den Thron zu besteigen. Das lässt alle Adeligen meines Alters ausscheiden.« Mit gespielter Fröhlichkeit resümierte ich: »Du siehst also, das Problem ist weniger mein mangelndes Interesse als vielmehr Vaters allzu umfangreiche Liste von Bedingungen.«
»Und was hast du gegen Lord Steldor? Ich weiß nicht, ob du ihn heute Abend schon gesprochen hast, aber ich finde, dass er wieder einmal sehr gut aussieht.«
Wie auch mein Vater präferierte Miranna den Hauptmannssohn, wenn ich auch vermutete, dass bei ihr andere Gründe den Ausschlag gaben.
»Ich habe ihn noch bei keiner Gelegenheit nicht gut aussehend erlebt. Aber nachdem er offenbar dein Interesse geweckt hat, brauchst du dich meinetwegen nicht zurückhalten, Mira.«
»Warum magst du ihn eigentlich nicht?«
»Wenn du es unbedingt wissen willst: wegen seinesEgos. Steldor geht nicht, er stolziert. Er unterhält sich nicht, er gewährt die Gnade seines Zugegenseins. Er kann nicht einmal befreit lachen, sondern er stößt hochmütige, verächtliche Geräusche aus, von denen mir ganz schlecht wird. Und schließlich ist er der geltungssüchtigste und aufbrausendste Mensch, der mir je begegnet ist, was mir regelrecht Angst einjagt.«
Miranna wickelte sich eine Haarsträhne um ihre linke Hand, und ich wusste, dass sie meine Bedenken, zumindest hinsichtlich seines Temperaments, nachvollziehen konnte. Eine hytanische Frau galt als das Eigentum ihres Mannes, und er konnte mit ihr nach Gutdünken verfahren. Das allein machte mich zur ungeeigneten Gattin für Steldor, denn ich nahm bei meinen Äußerungen oft genug kein Blatt vor den Mund. Steldors Reaktion auf ein solches Verhalten stellte ich mir alles andere als angenehm vor.
»Trotzdem besitzt er viele außergewöhnliche Vorzüge«, wandte meine Schwester ein. »Und selbst wenn die Eigenschaften, die du genannt hast, ihn für dich als Ehemann weniger wünschenswert erscheinen lassen, so tun sie seiner Qualifikation als Herrscher doch keinen Abbruch. Zudem würde er von unserem und seinem Vater beraten. Er wird einen guten König abgeben, Alera. Darin sind sich alle einig. Warum kannst du das nicht sehen?«
»Ich denke, es ist an der Zeit, dass wir zurückgehen«, sagte ich abweisend. »Vater und Mutter werden bald erscheinen und erwarten, dass ich anwesend bin.«
Ich wandte mich um, warf mein langes Haar zurück, zwang mich zu einer freundlichen Miene und kehrte in den Ballsaal zurück. Im Gehen umspielte das speziell für diesen Anlass genähte Ballkleid meine Fesseln wie eine Wolke. Es war aus Seidenchiffon und schmiegte sichan die Rundungen meines Körpers. Die mit Spitze durchsetzten glockenförmigen Ärmel berührten fast den Boden. Im Haar trug ich ein kunstvolles silbernes Diadem mit Diamantenblüten, die aus drei zarten, bogenförmigen Blätterranken wuchsen. Miranna ging an meiner Seite und schien gewillt, unser Gespräch fortzusetzen, doch ich grüßte stattdessen jeden, der uns begegnete.
Da erscholl auch schon die Stimme von Lanek, dem Palastherold und persönlichen Sekretär meines Vaters, der am Eingang zum Ballsaal die traditionelle Ankündigung begann. Er besaß trotz seiner kleinen, gedrungenen Gestalt ein ungeheures Lungenvolumen. Mich erinnerte er immer an eine übergewichtige, selbstzufriedene Katze.
»Begrüßt den König, König Adrik von Hytanica, und seine Königin, Lady Elissia!«
Alle, auch Miranna und ich, verneigten sich oder knicksten vor meinen Eltern, die aus dem Honoratiorenzimmer auf eine erhöhte Plattform im Ballsaal traten. Das Honoratiorenzimmer grenzt an die Gemächer meiner Eltern und dient König und Königin als Wartebereich sowie vor dem offiziellen Erscheinen gelegentlich für besondere Gäste.
Meine Eltern waren in Begleitung von Cannan, dem Hauptmann der Elitegarde, einem großen, eindrucksvollen Mann mit dunklem Haar und dunklen Augen, die selten lächelten. Er war von Adel, etwa so alt wie mein Vater und Chef der hytanischen Armee. Diese Position hatte er im Krieg gegen Cokyri errungen, kurz bevor mein Vater König wurde. Seit damals hatte er sich den Respekt
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